Mit Kooperationen zu mehr Klimaschutz: Unternehmen machen sich stark für Änderungen bei Wettbewerbsregeln

In einer aktuellen Untersuchung von Linklaters geben 57% der befragten Unternehmen an, bereits Nachhaltigkeitsprojekte aufgrund aufsichtsrechtlicher Bedenken eingestellt zu haben.

92% der befragten Unternehmen fordern Änderungen bei wettbewerbsrechtlichen Regelungen sowie klare Leitlinien, um Kooperationen im Bereich ESG zu fördern.

Im Zuge der Corona-Krise haben Behörden weltweit Lockerungen im Bereich des Wettbewerbsrechts erlassen - ein ähnlicher Ansatz könnte sich auch im Bereich Klimaschutz als hilfreich erweisen.

In einer Umfrage, an der 200 Führungskräfte aus dem Bereich Nachhaltigkeit von Unternehmen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und den USA teilnahmen, gaben 57% der Befragten an, sich aufgrund rechtlicher Risiken bereits aus branchenübergreifenden Umweltinitiativen zurückgezogen zu haben. Zugleich gab eine überwältigende Anzahl - 93% der Befragten - an, mit Blick auf Klimaschutzmaßnahmen eng mit Konkurrenten und anderen Unternehmen zusammenarbeiten zu wollen.

Nachdem Wettbewerbsbehörden weltweit im Zuge der Corona-Krise in einer Reihe von Sektoren Regelungen gelockert haben, um Kooperationen zwischen Wettbewerbern zu ermöglichen, würden Unternehmen einen ähnlichen Ansatz für Nachhaltigkeitsinitiativen begrüßen. Mehr als ein Drittel (36%) wünscht sich Ausnahmen für Nachhaltigkeit bei den Wettbewerbsregeln. Ein weiteres Drittel (32%) fordert ausdrückliche Leitlinien der Wettbewerbsbehörden, die festlegen, was im Bereich ESG-Kooperationen als rechtmäßige bzw. unrechtmäßige Zusammenarbeit gilt.

Unternehmen zunehmend unter öffentlicher Beobachtung

Prof. Dr. Daniela Seeliger, Expertin für Kartellrecht und Partnerin bei Linklaters erläutert hierzu:

„Unternehmen setzen sich zunehmend mit den Fragestellungen des Klimawandels auseinander - ebenso wie Gesellschaft und Politik. Die Antworten werden von Branche zu Branche unterschiedlich ausfallen - je nach den Herausforderungen, vor denen sie stehen. Übergreifend bildet sich aber der Konsens heraus, dass eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren erforderlich ist, um einen tiefgreifenden und nachhaltigen Wandel herbeizuführen. Dies gilt auch für die gegenwärtige Krise. Hier gibt es die Erwartung, dass staatliche Gelder für Unternehmen an Bedingungen zur Erreichung politischer Ziele geknüpft werden, einschließlich der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus haben Behörden weltweit kurzfristig reagiert und in den am stärksten von der Corona-Krise betroffenen Sektoren Ausnahmen vom Wettbewerbsrecht gewährt und dafür gesorgt, dass wettbewerbsrechtliche Regelungen im Bedarfsfall nicht angewandt werden müssen. Dieses Vorgehen könnte eine Blaupause dafür liefern, wie man aus wettbewerbsrechtlicher Sicht auf die Herausforderungen der Klimakrise reagieren kann. Unternehmen könnten auf diese Weise darin bestärkt werden, auch zum Wohl des Klimaschutzes zusammenzuarbeiten."

Kooperationen als Reaktion auf den Klimawandel

Eine große Mehrheit (68%) der Führungskräfte aus dem Bereich Nachhaltigkeit ist der Meinung, dass Kooperationen in der Industrie die Möglichkeit bieten, Ressourcen zu bündeln und Fachwissen auszutauschen. 64% der Befragten sind der Meinung, dass sich Konkurrenten zusammenschließen müssen, um Branchen tiefgreifend zu verändern. Befragt nach den Bereichen, die am meisten von einer Zusammenarbeit profitieren werden, geben 65% der Nachhaltigkeitsexperten sektorweite Initiativen zur Reduzierung von CO2-Emissionen an, gefolgt von Initiativen zur Reduktion von Schadstoffbelastungen (57%).

Nachhaltige Innovationen werden beschleunigt, wenn Wettbewerber ihre Kräfte bündeln. Hier ist fast die Hälfte (49%) der Nachhaltigkeitsexperten der Meinung, dass eine Zusammenarbeit zu einem Austausch neuer Ideen und damit zur Bewältigung der Herausforderungen führen wird.

Wettbewerbsrecht darf der Bekämpfung des Klimawandels nicht entgegenstehen

In ihrer Agenda hat die EU-Kommission deutlich gemacht, dass „alle Politikbereiche Europas, einschließlich der Wettbewerbspolitik" eine Rolle spielen müssen, um das Ziel der Klimaneutralität in Europa zu erreichen. Die Kommission evaluiert aktuell bestimmte Kategorien von Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die von den EU-Wettbewerbsregeln ausgenommen werden sollen.

Außerhalb Europas müssen die Wettbewerbsbehörden ihren Blick jedoch erst noch darauf fokussieren, ob sie eine Zusammenarbeit für zielgerichtete Nachhaltigkeitszwecke zulassen. Dies könnte sich allerdings ändern, wenn sich die weltweite Erholung nach der Corona-Krise einstellt und sich die Aufmerksamkeit von Politik und Regulierungsbehörden wieder zunehmend auf die Bedrohungen durch den Klimawandel richtet.

Simon Holmes vom Centre for Competition Law and Policy an der Universität Oxford und ein führender Experte auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts erläutert hierzu:

„Das Wettbewerbsrecht darf der unerlässlichen Zusammenarbeit von Unternehmen bei der Bekämpfung des Klimawandels nicht im Wege stehen. Das Problem ist mehr die Angst vor dem Wettbewerbsrecht als das Wettbewerbsrecht an sich. Es gibt viele Möglichkeiten, wie dieses Angstgefühl abgebaut werden kann. So könnten zum Beispiel die Wettbewerbsbehörden klare Richtlinien aufstellen, damit Unternehmen besser einschätzen können, wann Maßnahmen wahrscheinlich sind und wann nicht. Es ist auch wichtig, dass wir die Lehren aus der globalen Covid-19-Pandemie ziehen und sie bei der Bewältigung der Klimakrise anwenden."

Für die Umfrage hat Linklaters im März 2020 das Beratungsunternehmen Censuswide mit der Befragung von 200 Führungskräften aus dem Bereich Nachhaltigkeit in Großunternehmen in Großbritannien, USA, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden beauftragt. Weitere Details zur Umfrage finden Sie hier.