Banken und Finanzdienstleister unterliegen bei der Ausführung ihrer Tätigkeit hohen regulatorischen Anforderungen. Die Folgen der Covid-19 Ausbreitung und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, die Wirtschaft und den Finanzmarkt drohen auch die Stabilität des Finanzsystems zu gefährden. Beaufsichtigte Institute mussten in dieser besonderen Situation Notfallpläne aktivieren, die es ihnen ermöglichen, ihre Geschäftstätigkeit (z.B. den Zahlungsverkehr und den Wertpapierhandel) aufrechtzuerhalten. Kommt es auf Seiten der Kreditnehmer z.B. zu Kreditausfällen oder drohen diese zumindest, führt dies zu Abschreibungsbedarf bei den Banken, der unmittelbare Auswirkung auf die Kapitalquoten haben kann. Gleiches gilt für etwaige Verluste in den Handelsbeständen der Banken, die durch Börsenturbulenzen verursacht werden. Die Kapitalquoten der Banken könnten hierdurch unter die aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Mindestanforderungen fallen und Aufsichtsstandards nicht mehr erfüllt werden.
Im Folgenden adressieren wir einige ausgewählte Aspekte, die für Banken und Finanzdienstleister relevant und zu berücksichtigen sind.
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA prüfte angesichts der Ausbreitung des Coronavirus die Notfallpläne europäischer Banken. Dabei lag der Fokus auf der Überprüfung der Fähigkeit, die Fortsetzung der Geschäfte sicherzustellen. Dies ist vor allem für die Fälle relevant, in denen Mitarbeiter von zu Hause arbeiten. In diesem Zusammenhang stellen sich u.a. die folgenden Fragen:
Das Arbeiten im Home-Office wirft zahlreiche Arten von Risiken auf: operationelle Risiken, Latenzzeiten, Cyber-Risiken, Vertraulichkeit, Verhalten / Interessenkonflikt / Marktintegrität, Rückverfolgbarkeit in einem Kontext, in dem das globale politische, wirtschaftliche und sanitäre Umfeld schwierig ist.
Am 12. März 2020 veröffentlichten die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank daher ein Schreiben an die Kreditinstitute, in dem sie Hinweise zu krisenbedingten internen Regelungen und zum Risikomanagement im Handelsbereich und der Handelstätigkeit außerhalb der Geschäftsräume geben. Grundsätzlich dürfen nach MaRisk Handelsgeschäfte außerhalb der Geschäftsräume nur dann getätigt werden, wenn diese vom Institut bereits klar geregelt wurden. Bei fehlender Zugangsmöglichkeit zu den Geschäfts- und Handelsräumen ist es nach Ansicht der Aufsicht jedoch erforderlich, eine Alternative zu schaffen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Sofern Institute diese Geschäfte bisher ausgeschlossen hatten, müssen sie das Verbot explizit aufheben und in Arbeitsanweisungen formulieren, unter welchen Bedingungen und für welchen Zeitraum die Neuregelung gelten soll.
Daneben müssen die sonstigen Compliance-Vorgaben (Stichwort „Taping“) berücksichtigt werden. In ihrem Statement vom 20. März 2020 hat die ESMA Unternehmen, die aktuell nicht in der Lage sind, Sprachkommunikation aufzuzeichnen, aufgefordert, zu prüfen, welche alternativen Maßnahmen sie ergreifen können, um die Risiken im Zusammenhang mit der fehlenden Aufzeichnung zu mindern. Im Idealfall soll auf aufzeichnungsfähige elektronische Kommunikation zurückgegriffen werden (vgl. ESMA Q&As). Ist dies nicht möglich, so kann ausnahmsweise die Verwendung von schriftlichen Protokollen oder Notizen von Telefongesprächen bei der Erbringung von Dienstleistungen gestattet werden, vorausgesetzt, der Kunde wird vorher über die Unmöglichkeit der Aufzeichnung des Anrufs und die Anfertigung solcher Protokolle informiert. Hierbei sind eine verstärkte Überwachung und eine Ex-post-Überprüfung der relevanten Aufträge und Transaktionen sicherzustellen. Die BaFin kündigte im März an, Verstöße gegen die im Zusammenhang mit Kunden bestehenden Pflichten, wie beispielsweise das Taping nach § 83 Abs. 3 WpHG oder die rechtzeitige Zurverfügungstellung von Geeignetheitserklärung und Ex-ante-Kosteninformation, nicht zu verfolgen, wenn derartige Alternativmaßnahmen ergriffen wurden.
Durch die europaweiten Shut-downs stellte sich an verschiedenen Stellen die Frage, ob Unternehmen, die über keine Präsenz in Deutschland verfügen, es ihren Mitarbeitern gestatten können, übergangsweise aus Deutschland zu arbeiten, ohne dass dadurch Hinweis- oder sogar Erlaubnispflichten ausgelöst werden. Entsprechende Konstellationen sind vor dem Hintergrund fehlender aufsichtsrechtlicher Klarstellungen sorgsam zu prüfen und es scheint in solchen Fällen angezeigt, dass Institute ihren entsprechenden Mitarbeitern klare Handlungsanweisungen für die Übergangszeit an die Hand geben.
Neben den Anforderungen eher organisatorischer Natur sind insbesondere die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen durch die betreffenden Institute einzuhalten. Um weiterhin eine Liquiditätsversorgung der Realwirtschaft durch die Kreditwirtschaft sicherzustellen und den Banken den Umgang mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie zu erleichtern, haben die EZB und die EBA im ersten Quartal 2020 entsprechende Erleichterungen für die Institute beschlossen.
Auf Anregung der EZB hat die BaFin durch Allgemeinverfügung vom 31. März 2020 den antizyklischen Kapitalpuffer herabgesetzt. Somit senkte die BaFin den im vergangenen Juni eingeführten antizyklischen Kapitalpuffer per 1. April 2020 von derzeit 0,25 % auf 0 %, noch bevor dieser im Juli dieses Jahrs erstmals Anwendung finden konnte. Mit dieser Maßnahme folgt sie dem Beispiel einiger anderer Regulatoren (u.a. die Belgische Nationalbank und die Bank of England).
Die BaFin folgte den Maßnahmen und Empfehlungen der EZB und EBA hinsichtlich ihrer Aufsichtspraxis zu den weniger bedeutenden Instituten, über die sie die Aufsicht hat. Am 18. März 2020 beschloss die BaFin, die Vor-Ort-Prüfungen im Rahmen der Jahresabschlussprüfung nach §§ 28 ff. KWG oder der WpHG-Prüfung nach § 89 WpHG zu verschieben. Die Institute sollten aber grundsätzlich dafür sorgen, dass die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen den Prüfern per elektronischem Zugriff zur Verfügung gestellt werden können. Fristverstöße sollten von der BaFin nicht verfolgt werden. Eine förmliche Unterbrechungsanzeige war nicht erforderlich.
Die EZB hat in ihrer Pressemitteilung vom 28. Juli 2020 darüber hinaus klargestellt, dass sie den Instituten ausreichend Zeit einräumen wird, um die Kapital- und Liquiditätspuffer wieder aufzufüllen. Sie wird insbesondere nicht erwarten, dass Banken ihre Kapitalpuffer auffüllen, bevor der Höchststand der Kapitalerschöpfung erreicht ist. Ein genauer Zeitplan soll im Anschluss an die EU-weiten Stresstests 2021 auf Einzelfallbasis festgelegt werden.
In jedem Fall will die EZB Banken gestatten, unterhalb der Säule-2- und der kombinierten Pufferanforderungen bis mindestens Ende 2022 und unterhalb der LCR bis mindestens Ende 2021 zu operieren, ohne dass dies automatisch Aufsichtsmaßnahmen auslöst.
Auch der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) hat den Einsatz von Kapitalpuffern zur Unterstützung der Realwirtschaft in seiner Mitteilung vom 20. März 2020 befürwortet. Ähnlich wie die anderen Aufsichtsbehörden verzichtete er aktuell auf Konsultationen und die geplanten Bewertungen von Aufsichtsregimen der Mitgliedsländer.
Von gesetzgeberischer Seite wurde darüber hinaus ein Maßnahmenpaket zur Entlastung der Banken verabschiedet, das Anpassungen der CRR enthält. Gemeinsam mit den ersten Vorschlägen für dieses Paket veröffentlichte die Europäische Kommission ein Interpretationsschreiben zu ausgewählten Fragen. In Letzterem wurde unter Verweis auf die bereits ergriffenen Maßnahmen vor allem auf die bestehende Flexibilität in der CRR und in IFRS 9 hingewiesen und das Auslegungsverständnis der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang dargelegt. Mit den Änderungen in der CRR soll diese Flexibilität verstärkt beziehungsweise zusätzliche Optionen für die Institute geschaffen werden. Dies etwa durch eine Anpassung der Übergangsvorschriften in Art. 473a CRR, wodurch prozyklische Effekte aufgrund der Einführung von IFRS 9 abgemildert werden sollen, da die Auswirkung der Einführung von IFRS 9 auf die Eigenmittel der Institute verringert werden.
Am 20. März 2020 kündigte die EZB Flexibilität bei der Behandlung notleidender Kredite (NPLs) an, damit die Banken in vollem Umfang von den Garantien und Moratorien profitieren können, die zur Bewältigung der aktuellen Notlage eingeführt wurden. In ihren FAQs nennt sie u.a. folgende Maßnahmen:
Auch die BaFin hat vergleichbare Fragen und Antworten in ihren FAQs aufgenommen.
Im Prinzip ist das aus aufsichtsrechtlicher Sicht möglich.
Allerdings haben EZB und EBA in ihren entsprechenden Statements die Kreditinstitute eindringlich dazu aufgefordert, mindestens bis zum 1. Oktober 2020 alle diskretionären Dividendenausschüttungen und Anteilsrückkäufe zur Vergütung der Aktionäre vorübergehend auszusetzen. Die EZB hat diese Empfehlung Ende Juli bis zum Ende des Jahres verlängert. Konkretisierende Hinweise zu den Empfehlungen für die jeweiligen Geschäftsjahre, wie bspw. der Vorschlag der Anpassung der Dividenden-Policy, enthalten die FAQs der EZB.
Institute, die entgegen der Empfehlungen Ausschüttungen, insbesondere gegenüber Mutter-Unternehmen mit Sitz in Nicht-SSM-Mitgliedstaaten, vornehmen wollen, wurden aufgefordert, dies im Einzelfall unverzüglich gegenüber der Aufsicht zu melden und überzeugend zu begründen.
Die Aufsichtsbehörden betonten mehrfach, dass die Erleichterungen bzgl. der Einhaltung der Kapitalpuffer Mittel für die Unterstützung der Realwirtschaft freisetzen sowie für diese genutzt werden und nicht der Auszahlung von Dividenden dienen sollen. Gerade innerhalb von Gruppen sei laut EBA die Gewährleistung einer effizienten und umsichtigen Kapitalallokation von entscheidender Bedeutung. Kapitalausschüttungen innerhalb einer Bankengruppe sollten daher der Unterstützung der lokalen und europäischen Wirtschaft im weiteren Sinne und der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes dienen.
Hinsichtlich der Vergütungspolitik sind Kreditinstitute aufgerufen ihre Praktiken zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie einem soliden Risikomanagement entsprechen und den aktuellen Covid-19-bedingten Risiken ausreichend Rechnung tragen. Laut einem Schreiben an die bedeutenden Institute soll bis zum 1. Januar 2021 insbesondere der variable Teil der Vergütung („Bonus“) nur mit äußerster Zurückhaltung festgelegt und ausgezahlt werden. Kreditinstitute sollen prüfen, inwieweit sie den Gesamtbetrag der variablen Vergütung grundsätzlich verringern oder die Auszahlung zumindest eines größeren Teils der variablen Vergütung für einen längeren Zeitraum zurückstellen bzw. einen größeren Anteil in Eigenkapitalinstrumenten auszahlen können.
Die BaFin hat sich in mehreren Pressemitteilungen (zuletzt vom 4. August.2020) den Empfehlungen der EZB und der EBA angeschlossen und richtet diese damit auch an die von ihr direkt beaufsichtigten weniger bedeutenden Institute.
Wichtig ist anzumerken, dass es sich bei den Aussagen der Aufsicht bisher nicht um ein rechtlich unmittelbar verbindliches, pauschales Ausschüttungsverbot handelt, sondern – formal betrachtet – lediglich um eine Empfehlung seitens der Aufsicht.
Sollten Institute oder Inhaber dieser Institute allerdings auf eine Ausschüttung bestehen, ist damit zu rechnen, dass die Aufsicht ggf. versuchen wird, dagegen vorzugehen. Welche Eingriffsbefugnisse ihr in einer solchen Situation zur Verfügung stehen, wird im jeweiligen konkreten Einzelfall zu beurteilen sein.
Um einen koordinierten aufsichtsrechtlichen Ansatz bei der Anwendung der Verordnung (EU) 2015/2365 über Wertpapierfinanzierungsgeschäfte (SFTR) zu gewährleisten, hatte die ESMA in einer im März veröffentlichten Erklärung mitgeteilt, dass sie erwartet, dass die NCAs ihre Aufsichtsmaßnahmen gegenüber Unternehmen, die der ab dem 13. April 2020 geltenden Meldepflicht für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte unterliegen, im Zeitraum vom 13. April 2020 bis zum 13. Juli 2020 nicht prioritär behandeln, sondern bei der Durchsetzung der relevanten Vorschriften vielmehr den allgemeinen risikobasierten Ansatz anwenden.
Um Transaktionsregistern (TR) die Implementierung des neuen Melderegimes trotz der aktuellen Situation zu ermöglichen, hielt die ESMA es vor dem 13. April 2020 nicht für erforderlich, ein TR zu registrieren. Die ESMA erwartete allerdings, dass die TRs vor dem 13. Juli 2020 registriert werden, sodass Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, zentrale Gegenparteien (CCP) und Zentralverwahrer (CSD) sowie relevante Einheiten aus Drittländern ab diesem Datum mit der Berichterstattung beginnen können.
Den gleichen Ansatz wählte die ESMA bzgl. der Einhaltung des neuen Tick-Größen-Regimes für Systematische Internalisierer (SI) unter MiFIR (vgl. Statement vom 20 März 2020), das seit dem 26. März 2020 Anwendung findet. Insbesondere hat sie anerkannt, dass aufgrund von Covid-19 die personellen und technologischen Ressourcen der Marktteilnehmer stark beansprucht sind und sich auf die Gewährleistung der Geschäftskontinuität konzentrieren müssen. Änderungen an kritischen Infrastrukturen der Handelstechnologie zu einem Zeitpunkt, an dem die Geschäftsabläufe von verschiedenen geographischen Standorten aus abgewickelt werden, könnten in einer Zeit erhöhter Volatilität der Märkte zusätzliche operationelle Risiken für bestimmte Marktteilnehmer in der EU schaffen.
Die ESMA hat am 16. März 2020 eine Entscheidung erlassen, wonach Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien, die an einem regulierten Markt zugelassen sind, bereits ab einem Schwellenwert von 0,1 % des ausgegebenen Aktienkapitals statt wie bisher ab 0,2 % an die zuständige Aufsichtsbehörde zu melden sind. Die Maßnahme trat am 16. März 2020 in Kraft und galt zunächst für drei Monate. Am 10. Juni 2020 hat die ESMA ihre Entscheidung um weitere drei Monate verlängert. An dem Meldeverfahren selbst hat sich nichts geändert – Meldungen an die BaFin sind wie bisher auch über das Melde- und Veröffentlichungsportal (MVP) abzugeben. Unternehmen, die von der Market Making Ausnahme nach Art. 17 der Leerverkaufsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 236/2012) Gebrauch machen, sind weiterhin für Geschäfte, die sie im Rahmen ihrer Market Making Tätigkeiten tätigen, von der Meldepflicht befreit.
In Bezug auf die von anderen europäischen Aufsichtsbehörden erlassenen und (soweit erforderlich) kürzlich verlängerten Leerverkaufsverbote hatte die BaFin am 19. März bzw. 9. April 2020 in einem Hinweis klargestellt, dass Instrumente bezogen auf die Indizes Euro STOXX 50®, STOXX® Europe 600, MSCI Europe, MSCI EMU, Euro STOXX® FOOD & BEVERAGE und Euro STOXX® Banks nicht von den Leerverkaufsverboten erfasst werden.
Für weitere Informationen steht Ihnen unser Linklaters Team für Aufsichtsrecht gerne zur Verfügung.
Dr. Andreas Dehio, Partner, Aufsichtsrecht> E-Mail Dr. Kurt Dittrich, Partner, Kapitalmarktrecht> E-Mail Dr. Jan Endler, Partner, Öffentliches Recht / Beihilfen> E-Mail Dr. Timon Grau, Partner, Arbeitsrecht> E-Mail Dr. Carsten Grave, Partner, Kartellrecht> E-Mail Dr. Tim Johannsen-Roth, Partner, Corporate / M&A> E-Mail Dr. Jochen Laufersweiler, Partner, Corporate / M&A> E-Mail Oliver Rosenberg, Partner, Steuerrecht> E-Mail Dr. Sven Schelo, Partner, Restrukturierung> E-Mail Kirstin Schwedt, Partnerin, Dispute Resolution> E-Mail Prof. Dr. Daniela Seeliger, Partnerin, Kartellrecht> E-Mail Andreas Steck, Partner, Aufsichtsrecht> E-Mail Dr. Sabine Vorwerk, Partnerin, Restrukturierung> E-Mail Ulrich Wolff, Partner, Corporate / M&A > E-Mail