Umfrage von Linklaters: Wettbewerbsrecht bleibt ein Hindernis für Nachhaltigkeitskooperationen von Unternehmen
Die große Mehrheit der Unternehmen ist sich einig: Um die eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ist eine Zusammenarbeit mit Wettbewerbern bei Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) wichtig. Aber in der Praxis sieht es anders aus: Aus Sorge vor Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht gaben knapp zwei Drittel der befragten Nachhaltigkeitsexperten in einer neuen, von Linklaters in Auftrag gegebenen Umfrage an, von einer Zusammenarbeit mit Wettbewerbern im Bereich ESG abzusehen. Trotz des zunehmenden Drucks zur Verbesserung der eigenen Nachhaltigkeitsleistungen befürchUmfratet die Mehrheit der befragten Unternehmen das Risiko einer kartellrechtlichen Haftung (60 Prozent), sei es durch eine Behörde oder einen Kläger, oder die Verwicklung in einen Rechtsstreit (56 Prozent), wenn sie eine Zusammenarbeit mit Wettbewerbern in Erwägung ziehen.
Die Umfrage unter mehr als 500 Nachhaltigkeitsfachleuten in Großbritannien, den USA, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden zeigt aber auch, dass die Leitlinien der Kartellbehörden der EU (EU Horizontal Guidelines) und des Vereinigten Königreiches (CMA Green Agreements Guidance) allmählich Wirkung zeigen und die Unternehmen sich zunehmend trauen, bei Nachhaltigkeitsprojekten zusammenzuarbeiten.
Prof. Dr. Daniela Seeliger, Partnerin Kartellrecht & Investitionskontrolle bei Linklaters Düsseldorf: „Wir brauchen klare und verlässliche Leitlinien - sowohl national als auch international. Die bevorstehende 12. GWB-Novelle in Deutschland könnte eine solche Orientierung bieten. Nichtsdestotrotz wäre ein weltweit einheitlicher Ansatz der Kartellbehörden wünschenswert. Da das Thema Nachhaltigkeit heutzutage bei Investoren höchste Priorität hat, sollten die Vorteile von ESG-Kooperationen, die mittelbar allen Verbrauchern zugutekommen, auch im Kartellrecht entsprechend positiv berücksichtigt werden. Letztendlich darf das Verfolgen von Nachhaltigkeitszielen kein Wettbewerbsnachteil sein, sondern vielmehr ein Indikator für unternehmerische Weitsicht und gesellschaftliche Verantwortung.“
Nicole Kar, Global Head of Antitrust & Foreign Investment bei Linklaters London: „Das Engagement für Nachhaltigkeitsziele ist nach wie vor hoch: 82 Prozent der Befragten halten es für wichtig, mit anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Es ist ermutigend zu sehen, dass mehr als die Hälfte der Befragten bereit sind, Projekte voranzutreiben, die zuvor als zu riskant galten, nachdem die EU und das Vereinigte Königreich ihre Richtlinien geändert haben. Die Behörden haben die Tür geöffnet - die Unternehmen müssen bereit sein, hindurchzugehen.“
Die Europäische Kommission, die britische CMA und die niederländische Behörde (neben anderen) haben ausführliche Leitlinien dazu herausgegeben, wann Nachhaltigkeitskooperationen nicht unter die Wettbewerbsregeln fallen und wie sie beurteilen, ob die Vorteile einer Nachhaltigkeitskooperation die Nachteile für den Wettbewerb überwiegen. Die Umfrage hat jedoch ergeben, dass mehr als ein Drittel der Nachhaltigkeitsexperten die europäischen und die britischen Leitlinien noch nicht kennen. In etwa der gleiche Anteil fühlt sich nicht sicher, ob sie verstehen, was erlaubt ist und was nicht.
Jonathan Ford, Partner Kartellrecht & Investitionskontrolle bei Linklaters in London: „Wir müssen einen Punkt erreichen, an dem Verantwortlichen für Nachhaltigkeit nicht mehr aus Angst vor Wettbewerbsverstößen vor einer legitimen Zusammenarbeit bei ESG-Themen zurückschrecken. Nur dann werden wir größere Fortschritte bei Projekten und Initiativen rund um die grüne und umfassendere Nachhaltigkeitsagenda sehen.“
Die Umfrage zeigt, dass entscheidende Fortschritte gemacht werden. Die Befragten gaben an, an einer Reihe von Nachhaltigkeitskooperationen beteiligt gewesen zu sein - 34 Prozent haben Logistikressourcen gebündelt, 33 Prozent arbeiten gemeinsam an der Entwicklung neuer umweltfreundlicher Verpackungen und 30 Prozent arbeiten gemeinsam an der Festlegung von Mindeststandards in ihrem Sektor.
Linklaters hatte erstmals im Jahr 2020 eine Umfrage zu dieser Thematik in Auftrag gegeben. Der neue Bericht vergleicht auch die Ergebnisse von damals und heute. Den vollständigen Bericht in englischer Sprache finden Sie hier.
Methodik
Die Studie wurde von Censuswide unter 502 Führungskräften aus dem Bereich Nachhaltigkeit (mittleres Management, leitende Angestellte, Geschäftsleitung und Geschäftsinhaber) in Großbritannien, den USA, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden durchgeführt, um die Wechselwirkung zwischen Wettbewerbsrecht und Nachhaltigkeit zu verstehen. Befragt wurden Unternehmen verschiedener Größen (gemessen am Jahresumsatz), Arten und Sektoren, darunter Konzerne und Finanzinstitute. Die Daten wurden zwischen dem 30.06.2023 und dem 14.07.2023 erhoben. Censuswide unterstützt und beschäftigt Mitglieder der Market Research Society und befolgt den MRS-Verhaltenskodex, der auf den ESOMAR-Grundsätzen basiert.