REal News: Zweite Stufe des Berliner Mietendeckels seit letzter Woche in Kraft

Warum gibt es den Mietendeckel?

Die ehemalige Justizministerin Katarina Barley (SPD) bezeichnete in einem Interview mit dem Tagesspiegel das Thema bezahlbaren Wohnraums als die soziale Frage des 21. Jahrhunderts (Justizministerin Katarina Barley: "Für die Wut der Hausbesetzer habe ich Verständnis" - Politik - Tagesspiegel). In Berlin verdoppelten sich die Angebotsmieten von 2005 bis 2018 (von EUR 4,88 auf EUR 9,91), während zwischen 2007 und 2018 der Bruttomonatsverdienst eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers um lediglich 33% wuchs (von ca. EUR 2.400 auf ca. EUR 3.200). Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin zielt darauf ab, die Mietsteigerungen der vergangenen Jahre nicht nur einzufrieren, sondern auch rückgängig zu machen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Das Gesetz ist am 23. Februar 2020 in Kraft getreten. Es ist voraussichtlich bis zum 23. Februar 2025 gültig und damit der vorläufige Endpunkt einer politischen Diskussion über die Sozialverträglichkeit der Mietpreisentwicklung in urbanen Ballungsräumen.

Kernregelungen

Das Gesetz enthält folgende Kernregelungen:

Den Mietenstopp (§ 3 Abs. 1), nach dem eine Miete verboten ist, die eine am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet und die Mietobergrenzen (§ 4 Abs. 1), die für alle Neu- und Wiedervermietungen anwendbar sind.
Seit dem 23. November 2020 gilt zudem das gesetzliche Verbot, eine überhöhte Miete zu verlangen (§ 5 Abs. 1). Ein Verstoß hat zur Folge, dass die Miete gesenkt werden muss. Überhöhte Mieten sind solche, die die Mietobergrenzen um mehr als 20% übersteigen. Bei den Mietobergrenzen spielt die Lage der Wohnung keine Rolle.
In erster Linie bestimmen sich die zulässigen Mietobergrenzen nach der erstmaligen Bezugsfertigkeit der Wohnung und Ausstattung. Sie bewegen sich zwischen EUR 3,92 und EUR 9,80 pro Quadratmeter. Ein Zuschlag für eine gute Wohnlage ist möglich, beträgt aber nur EUR 0,74. Für eine moderne Ausstattung ist ein weiterer Zuschlag in Höhe von EUR 1,00 möglich, sodass die maximale Miete EUR 11,54 beträgt (§ 6 Abs. 1, Abs. 3). Für Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen ist außerdem ein Aufschlag von 10% auf die Mietobergrenze möglich (§ 6 Abs. 3).
Die Umlagefähigkeit von Modernisierungskosten wurde ebenfalls eingeschränkt. Auch nach mehrfacher Modernisierung im Geltungszeitraum des Gesetzes darf sich die Miete insgesamt um nicht mehr als EUR 1,00 pro Quadratmeter erhöhen (§ 7 Abs. 1).
Verstöße der Vermieter gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu EUR 500.000 geahndet werden.
Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind öffentlich geförderte Wohnungen, Wohnungen eines Trägers der Wohlfahrtspflege, Wohnheime und Neubauten, die erstmals seit dem 1. Januar 2014 bezugsfertig waren oder dauerhaft unbewohnbarer und unbewohnter ehemaliger Wohnraum, der mit einem dem Neubau entsprechenden Aufwand zu Wohnzwecken wiederhergestellt wird (z.B. eine ehemalige Bauruine). Zur Überwachung des Mietendeckels sind die Bezirksämter zuständig.

Was ist mit gemischt genutzten Einheiten?

Das Gesetz ist nur auf Wohnraum anwendbar. Wird ein Objekt durch ein einheitliches Mietverhältnis sowohl gewerblich als auch zum Wohnen genutzt, liegt ein sogenanntes Mischmietverhältnis vor. Rechtlich kann das Mietverhältnis nur vollständig als Wohnraummietverhältnis oder als Mietverhältnis über andere Räume gewertet werden. Für die Einordnung ist entscheidend, welche Nutzungsart nach den getroffenen Vereinbarungen überwiegt. Allein der Umstand, dass ein Objekt nicht nur zu Wohnzwecken, sondern auch zur Ausübung einer gewerblichen, freiberuflichen oder künstlerischen Tätigkeit genutzt wird, lässt keinen sicheren Rückschluss auf einen Schwerpunkt im Bereich der gewerblichen Miete zu. Wenn ein gewerblicher Schwerpunkt nicht festgestellt werden kann, ist im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit des Mieters von der Geltung der Vorschriften über die Wohnraummiete auszugehen.

Welche Auswirkungen hatte der Mietendeckel bisher?

Nach einem guten dreiviertel Jahr ist es noch nicht möglich, ein abschließendes Fazit zu ziehen. Erste Daten deuten aber dahin, dass der Mietendeckel den Mietmarkt aufspaltet. Die Angebotsmieten für Bestandsgebäude sanken um ca. 8 %, die Angebotsmieten für Neubauten stiegen dagegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum Januar bis Mai um 17 % (W&R IMMOCOM Immobilien aktuell - Auswirkungen des Mietendeckels in Berlin (immobilien-aktuell-magazin.de). Auch wegen der laufenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht besteht eine erhebliche Unsicherheit im Markt (s.u.). Viele Vermieter legen im Vertrag derzeit eine sogenannte „Schattenmiete“ fest. Hierbei handelt es sich um Klauseln, die, sollte der Mietendeckel verfassungswidrig sein, eine deutlich höhere Miete festschreiben (Mietendeckel: Unter dem Deckel brodelt es | ZEIT ONLINE). Nach Vorstellung der Vermieter soll der Mieter dann bei festgestellter Verfassungswidrigkeit auch rückwirkend die höhere „Schattenmiete“ verlangen können. Soweit bereits erste gerichtliche Auseinandersetzungen geführt wurden, ist das Bild uneinheitlich. Einige Berliner Amtsgerichte wenden den Mietendeckel an, andere setzen das Verfahren aus und legen das Gesetz zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dem Bundesverfassungsgericht vor (Update: „Berliner Mietendeckel" – 12 Verfassungsbeschwerden im Paket beim Bundesverfassungsgericht eingereicht | Insights | Greenberg Traurig LLP (gtlaw.com)).

Wie geht es weiter mit dem Mietendeckel?

Der Mietendeckel ist Gegenstand mehrerer Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Einer der Hauptstreitpunkte ist nicht inhaltlicher Natur, sondern, ob das Bundesland Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für eine öffentliche Mietpreisregulierung zusteht. Aktuell ist es nicht absehbar, wie die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ausgehen wird. Es empfiehlt sich daher, die Mietverhältnisse gesetzeskonform abzuschließen und durchzuführen, auch da das Risiko eines Bußgelds besteht. Konkret bedeutet das, dass wirksam vereinbarte Mieten auf dem Niveau des Stichtags (18. Juni 2019) eingefroren werden. Sollte die Miete überhöht sein, also 20% über den Mietobergrenzen liegen, müsste sie spätestens bei der nächsten fälligen Mietzahlung Anfang Dezember auf das Niveau der Mietobergrenzen abgesenkt werden. Zudem müssen Vermieter den Mietern innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes und vor Abschluss eines neuen Mietvertrages unaufgefordert Auskunft über die maßgeblichen Umstände zur Berechnung der Mietobergrenze zu erteilen.

Ob sich die oben beschriebenen Modelle der „Schattenmiete“ sich später als gerichtsfest erweisen, ist vor allem im Hinblick auf eine AGB-Kontrolle fraglich. Wird ein Mieter auf unbestimmte Dauer (nämlich bis zum Abschluss eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht) im Unklaren über seine Leistungspflicht gelassen, könnte eine derartige Klausel eine unangemessene Benachteiligung darstellen.

Im Dialog mit Ihnen

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Weitere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.
Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!