REal News: Neue Regelungen zum Gewerbemietrecht im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie

Im Hinblick auf den von der Regierung beschlossenen zweiten Lockdown hat der Bundestag das Gewerbemietrecht modifiziert:
Im November kündigte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht bereits an, das Mietrecht ändern zu wollen, mit dem Ziel, die Rechte der Gewerbemieter in der Covid-19-Pandemie zu stärken. Den Mietern solle durch eine Klarstellung zur „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) ermöglicht werden, die Miet- beziehungsweise Pachthöhe mit den Vermietern zu verhandeln. Diese Absicht wurde durch den Corona-Beschluss von Bund und Ländern vom 13. Dezember 2020 bestätigt. Hiernach sollte für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, gesetzlich vermutet werden, dass erhebliche (Nutzungs-)Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Der Bundestag hat nun am 17. Dezember 2020 dieser Änderung des Gewerbe- und Pachtrechts zugestimmt. Dabei wurde die Modifizierung des § 313 BGB sowie die Einführung eines Vorrang- und Beschleunigungsgebots beschlossen.

Uneinheitliche Gerichtsentscheidungen

Die Rechtslage war aufgrund unterschiedlicher erstinstanzlicher Urteile bislang unklar:

Während des ersten Corona-bedingten Lockdowns im Frühjahr hatte der Gesetzgeber lediglich ein Kündigungsmoratorium angeordnet und damit verhindert, dass Vermieter wegen eines coronabedingten Zahlungsverzugs ein Mietverhältnis kündigen. Die Pflicht zur Zahlung der Miete wurde durch dieses Gesetz nicht erlassen oder herabgesetzt. 

Dies führte dazu, dass sich die Gerichte mit der Frage beschäftigen mussten, ob staatlich verordnete Einschränkungen oder Verbote aufgrund von Covid-19 einen Mietmangel darstellen oder sich Mieter zur Mietanpassung auf die Störung der Geschäftsgrundlage berufen können. Die bisher hierzu ergangenen Urteile sind nicht einheitlich und eine Klärung durch eine höchstrichterliche Entscheidung steht aus. Die Mehrzahl der Urteile hat jedoch unsere Rechtsauffassung bestätigt, nach der pandemiebedingte Schließungen keinen Mangel der Mietsache darstellen und eine Anwendung des § 313 BGB außer in Extremfällen abzulehnen ist.

  • Das LG Frankfurt am Main, LG Heidelberg, LG Stuttgart und LG München II lehnen das Vorliegen eines Mangels sowie die Anpassung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage ab. Auch das LG Lüneburg führt aus, dass kein Mietmangel vorliege, da die öffentlich-rechtliche Anordnung ihren Grund nicht in einer konkreten Beschaffenheit der Mieträume habe. Im Rahmen der Anwendung des § 313 BGB dürfe zudem keine einseitige Verlagerung des Nutzungsrisikos auf den Vermieter erfolgen, da grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko der Mietsache trage. Diese Gerichte sehen keinen Raum für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB, wenn die erzwungene Schließung nicht zu existentiell bedeutsamen Folgen führt. Auch aufgrund vorrangiger Regelungen durch das Mietenmoratorium kann der Anwendungsbereich des § 313 BGB ausgeschlossen sein.
  • Das LG München I nahm hingegen unter Berufung auf ein Urteil des Reichsgerichts an, dass eine "Unbrauchbarkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch" auch auf behördlichen Verfügungen beruhen könne und damit ein Mangel der Mietsache vorliege. Das Gericht erklärte, dass ein Anspruch auf Mietminderung (hier gestaffelt von 80% bis 15 % für die Monate April bis Juni) gerechtfertigt sei.
  • In einem weiteren Fall vor einer anderen Kammer des LG München I passte das Gericht die Miete unter Berufung auf die Störung der Geschäftsgrundlage an, da es die Schließung durch die Allgemeinverfügung als unzumutbare Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs bewertete. Das Gericht gewährte eine Mietminderung in Höhe von 50% für eineinhalb Monate und dies unabhängig davon, ob dem Mieter Insolvenz drohte oder nicht. Auch das LG Mönchengladbach bejahte aufgrund der staatlichen Verbote eine Störung der Geschäftsgrundlage und gewährte eine Reduzierung der Miete in Höhe von 50 % für die Dauer der Schließung.

Aktuelle Mietrechtsänderungen

Durch den neu eingeführten Art. 240 § 7 EGBGB wird nun für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind, vermutet, dass sich ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. 

Zudem wird mit dem § 44 EGZPO eingeführt, dass Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie vorrangig und beschleunigt zu behandeln sind. Ein früher erster (Gerichts-)Termin soll spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden. Damit sollen die Parteien schneller Rechtssicherheit erhalten.

Die Regelung tritt am Tage nach der Verkündung, also spätestens im Januar 2021, in Kraft. Sie gilt auch für laufende und bereits abgeschlossene, aber noch nicht rechtskräftig entschiedene Sachverhalte, so dass die Anwendung auch für den Zeitraum ab April 2020 möglich ist, sofern und soweit in diesem Zeitraum öffentlich angeordnete Nutzungsbeschränkungen bestanden. Es wurde zudem ausgeführt, dass das Kündigungsmoratorium aus dem Frühjahr keine für diesen Zeitraum abschließende Regelung darstellt.

Bemerkenswert ist auch, dass § 313 BGB im Gegensatz zum Kündigungsmoratorium ein „zweischneidiges Schwert“ darstellt. Anders als das rein mieterschützende Kündigungsmoratorium kann § 313 BGB in Extremfällen hingegen auch eine vermieterseitige Kündigung tragen. Das bisherige gesetzgeberische Paradigma „Sicherung allein der Wohnung/Erwerbsstätte“ wurde also teilweise aufgegeben.

Weiterhin gebotene Einzelfallbetrachtung

Auch nach der Umsetzung der Gesetzesänderung ist die Rechtsfolge der Vertragsanpassung nicht zwingend. Eine Vertragsanpassung ist nach der Regelung des § 313 BGB nur anzunehmen, „soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann“. Diese Frage zur Risikoverteilung wird von der Gesetzesänderung gerade nicht beantwortet und obliegt daher weiter der Entscheidung der Gerichte. Der Mieter muss auch künftig beweisen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Zudem muss der Mieter darlegen, dass die unveränderte Beibehaltung des Mietvertrages unzumutbar ist. Die Mehrheit der bisher ergangenen Urteile sieht das Betriebsrisiko allerdings gerade beim Mieter.

Selbst wenn ein Gericht im Einzelfall das Ob einer Vertragsanpassung bejaht, bleibt noch das Wie der Vertragsanpassung offen. Im Rahmen des § 313 BGB ist aber nicht nur eine Mietminderung denkbar, sondern auch eine Mietstundung, ein Erlass der Miete oder - im Härtefall - eine Kündigung des Mietverhältnisses möglich. Auch die Höhe einer etwaigen Mietminderung ist einzelfallbezogen zu bestimmen.

Hinzu kommt, dass auch weiterhin die Interessen von Vermieter und Mieter umfassend gegeneinander abzuwägen sind. Für den Mieter ist dabei vor allem die konkrete wirtschaftliche Situation, der Umfang der Umsatzeinbußen und die zu erwartenden bzw. gewährten staatlichen Hilfen zu berücksichtigen. Im Gewerberaummietrecht kann ferner nicht ohne weiteres eine überlegene finanzielle Position des Vermieters angenommen werden. Belastungen des Vermieters und deren Folgen sind ebenfalls in die Abwägung einzustellen. Hier ist beispielsweise zu berücksichtigen, ob es sich beim Vermieter um eine Privatperson mit geringer Liquidität handelt oder wie sich ausbleibende Mieteinkünfte auf die weiterhin zu bedienenden Finanzierungen des Vermieters auswirken.

Letztlich muss auch berücksichtigt werden, dass die mietvertraglichen Gewährleistungsrechte trotz dieser Gesetzesänderung weiterhin vorrangig vor § 313 BGB Anwendung finden. Bevor also eine Auseinandersetzung mit § 313 BGB erfolgt, muss somit auch weiterhin vorrangig geklärt werden, ob im Einzelfall ein Mangel im Sinne des § 536 BGB gegeben ist und überhaupt noch Raum für die Anwendung des § 313 BGB bleibt. 

Fazit / Ausblick

Auch wenn es nicht wirklich befriedigend ist: Nach der gesetzlichen Modifizierung des § 313 BGB wird die Rechtsunsicherheit bestehen bleiben oder sich gar verschärfen. Zwar wird durch die gesetzliche Normierung die Verhandlungsposition der Gewerbemieter gestärkt. Eine Anpassung der Mietzahlung aufgrund der coronabedingten Beschränkungen kann aber auch künftig nur unter Abwägung aller Gesichtspunkte im Einzelfall, insbesondere im Hinblick auf die Risikoverteilung zwischen den Parteien, vorgenommen werden. Für neu abzuschließende Mietverträge raten wir, eine eindeutige Risikoverteilung im Zusammenhang mit Covid-19 zu vereinbaren. Für laufende Mietverhältnisse bleibt – wo immer möglich – eine einvernehmliche und vertraglich dokumentierte Einigung der Vertragsparteien der bevorzugte Ansatz, da nur diese schnelle Klarheit schafft.