REal News: Neue Hürden für Share Deals? Berliner Gesetzesinitiative zur Erweiterung des gemeindlichen Vorkaufsrechts

Für die Veräußerung von Immobilienvermögen im Wege des Verkaufs der Anteile an der grundstückshaltenden Gesellschaft (Share Deal) statt durch Grundstückskaufvertrag (Asset Deal) kann es im Einzelfall eine ganze Reihe funktionaler, wirtschaftlicher, steuerlicher und rechtlicher Gründe geben. Dementsprechend erfreut(e) sich diese Form der Transaktion zunehmend stärkerer Beliebtheit. Bei zwei der Motive, die bei der Entscheidung für einen Share Deal häufig eine Rolle spielen, gibt es – unterschiedlich weit gediehene – Gesetzesinitiativen, die, sollten sie tatsächlich Gesetz werden, die Hürden für diese Gestaltungsvariante erhöhen und deren Attraktivität senken.

Auch wenn diese immer noch nicht als Gesetz verabschiedet ist, wird die Reform der Grunderwerbsteuer seit über zwei Jahren ausgiebig diskutiert (und ist daher nicht Gegenstand dieses Beitrags). Auch wenn Einzelheiten noch umstritten sind, kann als sicher gelten, dass diese Reform irgendwann verabschiedet werden wird und durch höhere Schwellenwerte in mehrfacher Hinsicht die Anforderungen an eine grunderwerbsteuerfreie Gestaltung des Immobilienerwerbs deutlich verschärft.

Mit einer neuen Initiative unternimmt nun der Berliner Senat auf einem ganz anderen Feld – dem des gemeindlichen Vorkaufsrechts – einen Vorstoß, der ein weiteres mögliches Motiv für Share Deals betrifft: Berlin schlägt vor, das gemeindliche Vorkaufsrecht auszudehnen, um insbesondere Konstellationen zu erfassen, in denen zwar die wirtschaftliche Nutzbarkeit von Liegenschaften auf eine andere Person übertragen wird, dies im technischen Sinne jedoch keine Eigentumsübertragung des Grundstücks darstellt.

Der Berliner Senat hat am 11. Februar 2021 ein Gesetzesvorhaben in den Bundesrat eingebracht, wonach das allgemeine gemeindliche Vorkaufsrecht nach § 24 I BauGB erheblich ausgeweitet wird und zudem für verschiedene Institutionen Pflichten zur Unterstützung der Gemeinde statuiert werden (BR-Drucks 124/21).

Ausgangslange

Mit steigenden Wohnkosten in Metropolregionen haben verschiedene staatliche Ebenen diverse Mechanismen erprobt, um den Kostenanstieg zumindest zu bremsen. Zu nennen sind an dieser Stelle neben dem bundesweit im April 2015 implementierten § 556d BGB (besser bekannt als die Mietpreisbremse) insbesondere das – kontrovers diskutierte – MietenWoG Bln (besser bekannt als der Berliner Mietendeckel).

Ein weiteres Instrument, welches vorliegend besprochen werden soll, ist das allgemeine gemeindliche Vorkaufsrecht. Hiernach kann eine Gemeinde unter den Voraussetzungen des § 24 BauGB unter bestimmten Bedingungen bei Verkäufen von Immobilien (im Wege eines Asset Deals) in die Käuferposition eintreten. Dieses Instrument greift erheblich in die Rechtspositionen sowohl von Käufer als auch von Verkäufer ein und darf deshalb nur unter einzelfallbezogener Rechtfertigung durch das Allgemeinwohl und nur unter Angabe des konkreten Verwendungszwecks ausgeübt werden (§ 24 III BauGB). 

Stets setzt jedoch das Vorkaufsrecht einen Grundstückskaufvertrag voraus. Genau das ist beim Verkauf der Anteile an der grundstückshaltenden Gesellschaft (Share Deal) statt der Immobilie selbst (Asset Deal), jedoch nicht gegeben. Hier setzt das Gesetzesvorhaben an.

Bisherige Rechtsprechung

Schon bislang hat die Rechtsprechung gelegentlich den Anwendungsbereich des gemeindlichen Vorkaufsrechts auf Share Deal Konstellationen ausgedehnt. Dies jedoch stets nur unter der besonderen Voraussetzung, dass sich die Wahl des Share Deals im konkreten Einzelfall um eine missbräuchliche Umgehung des Vorkaufsrechts darstellte.

Aus Verwaltungsperspektive hatte diese Rechtsprechung jedoch den Nachteil, dass die Gemeinde mangels Anzeigepflicht in der Praxis häufig überhaupt keine Kenntnis von der Übertragung der Gesellschaftsanteile erlangt.

Lösungsvorschläge des Berliner Gesetzesvorhabens

Die Gesetzesinitiative des Berliner Senats bricht mit der bisherigen Regelung auf tiefgreifende Weise. Denn nicht nur soll das gemeindliche Vorkaufsrecht auf Share Deals an grundstückshaltenden Gesellschaften erweitert werden, sondern auch die bisherige gesetzliche Konzeption – Eintritt in den geschlossenen Kaufvertrag – soll in dieser Konstellation durchbrochen werden.

Die Rechtsfolgen

Wie bereits dargestellt war es bislang so, dass – mit bestimmten, eng umgrenzten Ausnahmen beim Preis – der Vorkaufsberechtigte bei Ausübung des Vorkaufsrechts in den zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien ausgehandelten und geschlossenen Vertrag eintritt. Nach dem Gesetzesvorhaben hingegen sollen sich die Rechtswirkungen des ausgeübten Vorkaufsrechts in einer derartigen Situation auf einen quasi fingierten Kaufvertrag beschränken. Die Gemeinde soll nach dem Vorschlag gerade nicht in den Kaufvertrag eintreten und demgemäß auch keine Anteile an der verkauften Gesellschaft erwerben. Sie erhält vielmehr einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks (§ 28 II 4 Alt. 2 BauGB-E).

Anders als bislang soll auch der Vorkaufsverpflichtete nicht die Erstreckung des Vorkaufs gemäß § 467 Satz 2 BGB verlangen können (§ 28 II 5 BauGB-E). § 467 BGB lautet: „Hat der Dritte den Gegenstand, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht, mit anderen Gegenständen zu einem Gesamtpreis gekauft, so hat der Vorkaufsberechtigte einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu entrichten. Der Verpflichtete kann verlangen, dass der Vorkauf auf alle Sachen erstreckt wird, die nicht ohne Nachteil für ihn getrennt werden können.

Demnach müsste die Gesellschaft ohne Immobilie, ggf. auch als ein reines Rechtskonstrukt, entweder auf den ursprünglichen Käufer übergehen oder aber aufgrund vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts beim Verkäufer zurückbleiben.

Hieran schließen sich eine Vielzahl praktischer und rechtlicher Problemstellungen an, u.a.:

  • Was sind konkret „bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Verkauf eines Grundstücks entsprechende“ Geschäfte? Dieses Merkmal ist in hohem Maße unbestimmt und bedarf der Konkretisierung. 
  • Was soll gelten, wenn lediglich ein Teil der Anteile verkauft wird, der Rest aber beim Verkäufer verbleibt? (Stichwort: RETT-Blocker)
  • Ist diese Regelung überhaupt verfassungskonform? Da es sich hier wertend betrachtet um eine Enteignung der Objektgesellschaft handelt, könnte ein derart unbestimmtes Merkmal für das Eingreifen des „Vorkaufsrechts“ der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie widersprechen und demnach verfassungswidrig sein. 
  • Ein Kaufvertrag – egal ob über Grundstücke oder Gesellschaftsanteile – ist regelmäßig ein intensiv verhandeltes Gesamtgebilde, ein Ergebnis von Kompromissen, eines Gebens und Nehmens und einer austarierten Risikoverteilung und auch der Kaufpreis spiegelt dies wider. Dieses Ergebnis einfach beiseite zu legen und stattdessen selektiv das Grundstück herauszulösen, scheint wenig sachgerecht und sehr streitanfällig.
  • Was passiert, wenn es sich bei den Liegenschaften um Sacheinlagen handelt und die Gesellschaft durch Herauslösung der Grundstücke ihr Mindestkapital, auf dessen Erhaltung der Gesetzgeber sonst peinlich genau achtet, unterschreitet, oder gar in eine Insolvenzlage gerät? Führt dies ggf. zu einer Existenzvernichtungshaftung der Gemeinde gegenüber den Gesellschaftsgläubigern?
  • Was passiert mit dem zugrundeliegenden Share Deal, wenn die Gemeinde nur einzelne Grundstücke „entnimmt“ aber die Parteien für diesen Fall keine vertraglichen Regelungen getroffen haben? 

All dies sind Fragen, die der Gesetzesentwurf unbeantwortet lässt.

 

Die Kenntniserlangung

Der Gesetzesvorschlag statuiert umfangreiche Informationspflichten aller Beteiligten gegenüber der Gemeinde. Sollte bislang nur der Verkäufer der Gemeinde den Inhalt des Kaufvertrages mitteilen (§ 28 I 1 BauGB), sollen nunmehr auch Gerichte, Behörden und Notare sämtliche Rechtsvorgänge anzeigen, bei denen die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit auf eine andere Person übergeht (§ 27b II BauGB-E). Entsprechend weite Anzeigepflichten gelten für die Vertragsparteien (27c BauGB-E). Diese sollen nun auch bußgeldbewährt sein (§ 213 I Nr. 5 BauGB-E).

Dadurch entstehenden administrativen Mehraufwand gedenkt das Gesetzesvorhaben dadurch aufzufangen, dass es die Bearbeitungsfrist für die Gemeinde auf 4 Monate verdoppelt (§ 28 II 1 BauGB-E) – ein beträchtliches Hindernis für die Abwicklung von Transaktionen, in denen bereits die Fristen des Vorkaufsrechts in seiner bisherigen Form insbesondere von internationalen Investoren regelmäßig mit Kopfschütteln bedacht werden. 

Ausblick

Dieser Gesetzesvorschlag impliziert in verschiedener Hinsicht eine Abkehr vom bisherigen System des gemeindlichen Vorkaufsrechts. So war ein Vorkaufsrecht bislang stets ein reines Opt - in für den Berechtigten. Nunmehr besteht gerade in der Konstellation des Share Deals die Möglichkeit, quasi vertragsgestaltend zu wirken. Auch wirft der Entwurf komplizierte Rechtsfragen auf, die er selbst nicht zu beantworten vermag.

Die Arbeitsbelastung sowohl an Gerichten, als auch bei Behörden dürfte durch dieses Gesetz zudem nicht unerheblich steigen. Die inhaltliche Unsicherheit und die zeitliche Verzögerung für Beteiligte an Immobilientransaktionen nimmt zu und darunter leidet die Rechtssicherheit.

Im weiteren Verfahrensverlauf wird der Vorschlag zunächst im Bundesrat debattiert werden. Sollte das Vorhaben dort die nötige Unterstützung finden, wird der Vorschlag durch die Bundesregierung dem Bundestag zugeleitet (Art. 76 III GG), die hierbei ihre Auffassung darlegt. Zumindest in nächster Zeit ist daher eher nicht mit einem Inkrafttreten zu rechnen.