4-Tage-Woche in Deutschland?

Gewerkschaften, Betriebsräte und manche Politiker fordern gegenwärtig immer nachdrücklicher die Einführung einer 4-Tage-Woche für Beschäftigte in Deutschland und setzen Arbeitgeberverbände und Unternehmen unter Druck. Gehaltseinbußen möchte in diesem Zuge allerdings kaum ein Beschäftigter hinnehmen. Auf den ersten Blick erscheint diese Vorstellung anmaßend, beim zweiten Hinsehen und mit Blick auf andere Länder zeichnet sich ein differenziertes Bild. In Zeiten des Fachkräftemangels setzen sich zunehmend auch Unternehmen mit verschiedenen Modellen einer Vier-Tage-Woche auseinander.

Passend dazu äußerte sich der Bundesarbeitsminister, Hubertus Heil, in einem Interview zur Fachkräftesicherung wohlwollend gegenüber der 4-Tage-Woche. Aus Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung geht zudem hervor, dass 81 % der in Vollzeit tätigen Beschäftigten eine solche Reform begrüßen würden. Einigkeit besteht – zumindest auf Seiten der Beschäftigten – auch darüber, dass die Verringerung der Arbeitszeit lediglich bei gleichbleibendem Entgelt erfolgen solle. Nur 8 % der Befragten würden ihre Arbeitszeit auch reduzieren, wenn das Entgelt entsprechend gekürzt würde. Auffallend zu beobachten war, dass innerhalb dieser repräsentativen Umfrage nur 2 % der Beschäftigten ihre Vollzeittätigkeit bereits auf vier Tage verteilt haben, wohingegen die Umsetzung einer solche Idee im internationalen Umland bereits deutlich vorangeschritten ist.

Belgien und Island als Vorreiter

Beschlossene Sache ist die 4-Tage-Woche in Belgien. Allerdings gilt insoweit die Besonderheit, dass sich die Beschäftigten ihre Wochenarbeitszeit auf vier oder fünf Tage aufteilen können, so dass sich im Ergebnis die Gesamtarbeitszeit nicht verringert. Spanien und Großbritannien verfolgen ähnliche Modelle. In Island wurde erstmals der Effekt einer reduzierten Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt untersucht.

Rechtliche Parameter

Die Implementierung einer 4-Tage-Woche erfordert – mangels gesetzlicher Regelung – eine Vereinbarung zwecks Modifizierung der Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis. Unternehmen können die 4-Tage-Woche mittels individualvertraglicher Ergänzungsvereinbarungen einvernehmlich mit dem jeweiligen Beschäftigten umsetzen. Tarifgebundene Unternehmen sind darauf angewiesen, im Einvernehmen mit der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft den normativen Teil des Tarifvertrags entsprechend zu ändern. Da die Tarifbindung in Deutschland seit Jahren rückläufig ist, sollten Unternehmen darüber hinaus sicherstellen, dass ihre Arbeitsverträge transparente Bezugnahmeklauseln auf die anzupassenden Tarifverträge enthalten. Im Übrigen kann – insbesondere bei fehlender tariflicher Regelung – ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen, wenn es konkret um die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage geht. 

Für Unternehmen ist eine Detailprüfung ihrer aktuell wirksamen (kollektiv-)vertraglichen Regelung unerlässlich, um anschließend – auf den vorstehend skizzierten Wegen – rechtsicher eine 4-Tage-Woche in ihrem Unternehmen einzuführen.

Realistische Alternative für Unternehmen?

Die 4-Tage-Woche bietet Unternehmen die Möglichkeit, dauerhaft ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, indem sie im Wettbewerb um hochqualifizierte Beschäftigte mit einer ausgewogenen Work-Life-Balance für sich werben können und als innovatives Unternehmen auftreten, dass die – nach der Corona-Pandemie – nachhaltig veränderten Formen des Arbeitens als Gestaltungsoption nutzt. Ebenso erhöht ein Plus an Flexibilität im Hinblick auf Arbeitszeitmodelle die Wahrscheinlichkeit, Beschäftigte dauerhaft an das Unternehmen zu binden, indem mit Beschäftigen für bestimmte Lebensphasen beispielsweise eine „befristete“ 4-Tage-Woche vereinbart wird. Ob eine 4-Tage-Woche für ein Unternehmen bei gleichbleibendem Entgelt wirtschaftlich darstellbar ist, bleibt abzuwarten, da die – postulierte und teilweise in Studien bemühte Produktivitätssteigerung bei verringerter Arbeitszeit – keinesfalls für alle Branchen und Tätigkeiten unumstößlich feststeht. Gleichwohl kann die Vier-Tage Woche ein Instrument sein, um die Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis attraktiver zu gestalten, indem Unternehmen statt einer Entgelterhöhung eine Arbeitszeitreduzierung bei gleichem Entgelt anbieten. 

Ein nationaler Gesetzesentwurf, der Unternehmen dazu verpflichtet, eine 4-Tage-Woche in Deutschland einzuführen, ist laut Aussage des Bundesarbeitsministers, Hubertus Heil, derzeit nicht vorgesehen. Ohnehin wäre ein solches Gesetz mit einem erheblichen Eingriff in die Privat- und die Tarifautonomie verbunden. Konsequenterweise sollte es weiterhin Unternehmen, Beschäftigten und den Tarifparteien überlassen bleiben, ob und wie sie – im Rahmen des geltenden Rechts – die Arbeitszeit regeln möchten, mithin auch, ob die Einführung einer 4-Tage-Woche sinnvoll ist. So trafen beispielsweise bereits Tarifparteien für einen Automobilkonzern mit Wirkung zum 1.1.1994 – eine sich heute nicht mehr in Kraft befindliche Regelung – über eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 28,8 Stunden im Jahresdurchschnitt.

Einen Königsweg gibt es für Unternehmen derzeit – wenig überraschend – nicht. Entschließt sich ein Unternehmen zu der Einführung einer 4-Tage-Woche, bedarf es nicht nur im Hinblick auf die Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis einer sorgfältig abgestimmten Regelung, sondern es sollte neben den Betriebs- und Sozialpartnern stets der arbeitsrechtliche allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz unternehmensweit mitbedacht werden