Das Pre-Pack-Verfahren: Richtlinienentwurf für die Harmonisierung von bestimmten Aspekten des Insolvenzrechts

(ursprünglich erschienen im Online-Magazin RestructuringBusinessDas Pre-Pack-Verfahren - Deutscher AnwaltSpiegel)

Am 07.12.2022 hat die EU-Kommission einen Richlinienentwurf für die Harmonisierung von bestimmen Aspekten des Insolvenzrechts [Com (2022) 702 final] veröffentlicht. Übergeordnetes Ziel des Entwurfs und der daraus hervorgehenden Richtlinie ist es, die Kapitalmarktunion in Europa weiter zu fördern und den europäischen Binnenmarkt zu stärken. Hierbei spielt die Harmonisierung des Insolvenzrechts eine wichtige Rolle. Gläubiger, Anleger und Investoren sollen in Europa einen einheitlichen Investitionsschutz und vergleichbaren Rechtsrahmen in einem potentiellen Insolvenzszenario vorfinden.

Grenzüberschreitende Investitionen sollen hierdurch attraktiver werden.

Hierfür hat die EU bereits verschiedene insolvenzrechtliche Rechtsakte umgesetzt. Dies sind die Europäische Insolvenzverordnung (EUInsVO) und die Richtlinie (EU) 2019/1023 zum präventiven Restrukturierungsrahmen, die der deutsche Gesetzgeber zu Beginn von 2021 mit dem StaRUG kodifiziert hat. Mit dem neuen Richtlinienentwurf soll das materielle Insolvenzrecht in den Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen harmonisiert werden.

Der Richtlinienentwurf regelt die folgenden sieben Bereiche:

  • Insolvenzanfechtungsrecht
  • Aufspüren von Vermögenswerten
  • Vorinsolvenzlich ausverhandelte Unternehmensverkäufe (Pre-Pack-Verfahren)
  • Insolvenzantragspflichten
  • Vereinfachte Liquidation insolventer Kleinstunternehmen
  • Gläubigerausschüsse
  • Transparenzmaßnahmen zum nationalen Insolvenzrecht

Der Entwurf weist einige Parallelen zum deutschen Insolvenzrecht auf. Insbesondere die Regelungen zum Anfechtungsrecht, zu den Antragspflichten und zu den Gläubigerausschüssen sind weit überwiegend bereits im deutschen Recht enthalten. Neu sind hingegen die Regelungen zum Aufspüren von Vermögenswerten, das Pre-Pack-Verfahren und die Erleichterungen bei Insolvenzen von Kleinstunternehmen. Nachfolgend werden das Pre-Pack-Verfahren, dessen Ablauf und geplante gesetzliche Privilegien vorgestellt und erörtert, wie sich dieses neue Verfahren in das deutsche Recht einfügt.

Pre-Pack-Verfahren

Das Pre-Pack-Verfahren ist ein im Vorfeld der Insolvenz vorbereiteter Unternehmensverkauf, der mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt wird. Hiermit sollen die Dauer des Insolvenzverfahrens verkürzt und das sogenannte Insolvenzstigma vermieden werden. Dieses Verfahren gibt es bereits in manchen europäischen Ländern, wie zum Beispiel in Polen. In Deutschland ist dieses Verfahren bisher nicht institutionalisiert, aber es wird faktisch durch eine sogenannte übertragende Sanierung angewendet.

Nach Vorstellung des EU-Richtlinienentwurfs gliedert sich das Pre-Pack-Verfahren in eine Vorbereitungs- und eine Liquidationsphase. Während der Vorbereitungsphase wird – wie der Name es sagt – der Verkauf vorbereitet. Hierbei soll der Schuldner die Verfügungsgewalt über seine Vermögenswerte und die Geschäftsführungsbefugnis behalten. Ihm wird ein sogenannter Monitor an die Seite gestellt. In der deutschen Fassung wird dieser Monitor als Sachwalter bezeichnet, der aber nicht mit dem Sachwalter im Rahmen einer sogenannten Eigenverwaltung zu verwechseln ist. Die terminologische Übereinstimmung dieser beiden Personenbezeichnungen ist vermutlich dem englischen Ursprungstext des Richtlinienentwurfs geschuldet.

Der Sachwalter muss den Verkaufsprozess im Wesentlichen begleiten. Hierfür muss er den Prozess dokumentieren, den Markt- und Wettbewerbsstandard kontrollieren, das beste Gebot auswählen und bestätigen, dass das ausgewählte Gebot im besten Gläubigerinteresse ist, insbesondere keinen schlechteren Wert erzielt als bei einer sogenannten Einzelliquidation. Bei Letzterem muss er aber nur bestätigen, dass kein offensichtlicher Verstoß vorliegt. Der Sachwalter muss die gleichen fachlichen Eignungen mitbringen wie ein Insolvenzverwalter und kann in der anschließenden Liquidationsphase als Insolvenzverwalter bestellt werden.

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Verkauf vollzogen und durch das zuständige Gericht genehmigt. Grundsätzlich erwirbt der Käufer das Unternehmen, beziehungsweise die wesentlichen Unternehmensbestandteile, schuldenfrei. Die für die Betriebsfortführung erforderlichen, nicht erfüllten Verträge gehen auf den Erwerber über, ohne dass es einer Zustimmung des Vertragspartners bedarf. Dies ist eine wesentliche Neuerung der Pre-Pack-Vorschriften im Vergleich zu den bisherigen Regelungen in Deutschland.

Für die Durchführung des Pre-Pack-Verfahrens gibt es einige begünstigende Regelungen. Hierzu gehört, dass Vollstreckungsmaßnahmen während der Vorbereitungsphase untersagt werden können, Zwischenfinanzierungen, die für die Durchführung des Verfahrens wichtig sind, privilegiert werden und ein sogenannter Credit-Bid unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Gläubiger können ihre offenen Forderungen gegen den Schuldner (teilweise) gegen die Kaufpreisforderung verrechnen. Mit Forderungen aus der Zwischenfinanzierung geht dies beispielsweise einschränkungslos. Auch nahestehende Personen, beispielsweise Ehegatten oder Gesellschafter, dürfen bei dem Verkaufsprozess mitbieten. Um jedoch ein etwaiges „Geschmäckle“ zu verhindern, weil diese Personen etwa einen Informationsvorsprung haben und somit schneller ein Gebot abgeben können, müssen bestimmte Regelungen zur Vermeidung von Missbrauch eingehalten werden. So müssen sie ihre Eigenschaft als nahestehende Person offengelegen, und die anderen Bieter müssen ausreichend Zeit für ein Gebot erhalten.

Ausblick

Bei näherer Betrachtung ließen sich die Regelungen zum Pre-Pack-Verfahren im Wesentlichen in die bestehende Struktur des deutschen Insolvenzrechts einfügen, insbesondere in das Vorverfahren. Ein separates Gesetz wird hierfür nicht unbedingt erforderlich sein. Einige Änderungen in der InsO sind freilich notwendig, wie zum Beispiel der Übergang von betriebsnotwendigen Verträgen, die Regelungen zur Zwischenfinanzierung und die Beteiligung von nahestehenden Personen. Andere Regelungen wie zum Beispiel den Vollstreckungsschutz gibt es bereits im § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO.

Aus deutscher Sicht enthält der Richtlinienentwurf nicht besonders viele substantielle Neuerungen. Auch das Pre-Pack-Verfahren, das grundsätzlich neu im deutschen Recht ist, ist strukturell bereits angelegt und wird faktisch mit der übertragenden Sanierung angewendet. Dies scheint zu belegen, dass das deutsche Insolvenzrecht den aus europäischer Sicht wünschenswerten Mindeststandard bereits erfüllt. Die Anforderungen der Mindestharmonisierung betreffen aber natürlich auch die anderen Mitgliedstaaten. Es bleibt abzuwarten, wie sich das weitere Gesetzgebungsverfahren gestaltet und wie die Mitgliedstaaten und anderen europäischen Organe (Rat und EU-Parlament) auf den Entwurf reagieren. Mit Sicherheit wird es noch einige Änderungen geben, und ausgehend von der Erfahrung mit der Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen wird es noch einige Jahre dauern, bis aus dem Erstentwurf eine Richtlinie wird.