Linklaters und breaking.through feiern „100 Jahre Frauen in der Anwaltschaft“

Eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in juristischen Berufen gelingt nur gemeinsam

Vor 100 Jahren – am 7.12.1922 – erhielt mit Maria Otto erstmals eine Frau in Deutschland die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Zu diesem Anlass luden Linklaters und breaking.through – eine Karriereplattform insbesondere für Juristinnen – erstmals zu einem gemeinsamen Networking-Event in das Frankfurter Büro der Kanzlei ein. Heutzutage sind Frauen aus der Juristerei nicht mehr wegzudenken, doch wo stehen wir in Sachen Gleichberechtigung und Teilhabe? Was wurde bisher erreicht und was müsste noch besser werden?

Ein Blick zurück auf das Erreichte, ein Blick nach vorne

Zuerst nahm Prof. Dr. Heribert Prantl (Publizist; ehemals Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung) die rund 70 Gäste mit seinem Impulsvortrag „Männliche Justiz? Weibliche Justiz? Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sollen gemeinsam mit Richtern und Richterinnen für eine menschliche Justiz sorgen.“ auf eine spannende und unterhaltsame Zeitreise mit zu verschiedenen Frauen, die in den letzten 100 Jahren für Gleichberechtigung und Gleichstellung von Männern und Frauen in Politik, Justiz und Gesellschaft gekämpft haben. Frauen wie Erna Scheffler (1893-1983), die als erste Richterin des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich Entscheidungen des Gerichts zur Stärkung der Gleichberechtigung und rechtlichen Teilhabe von Frauen verhandelte, oder Elisabeth Selbert (1896-1986), eine der sogenannten vier „Mütter des Grundgesetzes“, die sich erfolgreich dafür einsetzte, dass die Gleichberechtigung in den Grundrechteteil der deutschen Verfassung vom Parlamentarischen Rat (1948/1949) aufgenommen wurde, ist es zu verdanken, dass sich die Position der Frauen in der Justiz bis heute deutlich verändert hat, so Prantl. Aber er merkte auch an, dass sich die Einstellung der Männer nicht unbedingt verändert habe und dass verfassungsrechtliche Postulate, so wichtig sie sind, letztlich nichts bewirken können, wenn sie nicht von der Gesellschaft gelebt werden. Mit Anekdoten zu weiteren engagierten Frauen wie Jutta Limbach oder Lore Maria Peschel-Gutzeit und seinem persönlichen Rückblick auf Zusammentreffen mit Hannelore Mabry oder unserem Ehrengast Rita Süssmuth schmückte Heribert Prantl seine Rede zur Freude der Teilnehmenden aus.

Dass sich in den letzten 100 Jahren dennoch viel getan hat, dafür sprechen die Fakten: Seit 2017 wurden in jedem Jahr mehr Frauen als Männer zu Anwaltsberufen zugelassen, und ihr Anteil unter den Studierenden ist ebenfalls höher. Frauen holen stark auf, aber sie sind in der Anwaltschaft weiterhin in der Minderheit. 2020 betrug ihr Anteil insgesamt erst 35,89 Prozent. So stellte Prantl auch in Frage, ob trotz der vielen Errungenschaften, die – fortgeschriebenen – Spielregeln des Marktes wirklich gut seien. Wahre Gleichberechtigung kann erst dann erreicht werden, wenn auch das Erwerbsleben sozial gerecht sei. Prantl hat dazu die Vision der menschlichen Justiz als Weg der Zukunft gezeichnet. Vor dem Publikum erörterte er Fragen, die auf diesem Weg noch zu klären sind: Wie wirkt sich die Feminisierung der richterlichen Berufe auf die Rechtsprechung aus? Bedeutet eine menschliche Justiz auch, dass außergerichtliche Verfahren und Mediation gegenüber Gerichtsverhandlungen zunehmend an Bedeutung gewinnen? Welche Einflüsse hat dies auf die künftige Ausbildung von Juristen? Die Pionierarbeit und das soziale Engagement von Maria Otto und anderen Frauen hat erfolgreich zur formalen Gleichbehandlung von Mann und Frau geführt, aber der Weg bis zur Parität in juristischen Berufen ist noch zu gehen, beendete Prantl seinen Impulsvortrag.

Anschließend diskutierte ein hochkarätig besetztes Panel mit Frauen aus Politik, Wissenschaft, Ausbildung und Praxis den Status Quo sowie die Chancen und Herausforderungen von Frauen in der Anwaltschaft. An der Diskussion nahmen Dr. Rita Süssmuth (Politikerin und ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages), Alisha Andert (Mitgründerin von This is Legal Design und Vorstandsvorsitzende des Legal Tech Verbands), Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich (Juraprofessorin und Lehrstuhlinhaberin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Dr. Dorothee Ruckteschler (unabhängige Schiedsrichterin und Anwältin) sowie Susette Schuster (Vorsitzende Richterin am VG Köln) teil. Die beiden Gastgeberinnen des Abends, Prof. Dr. Daniela Seeliger (Partnerin Kartellrecht bei Linklaters und Vorbild bei breaking.through) sowie Marina Arntzen (Leitung Ratvermittlung und Redakteurin bei breaking.through und Counsel bei Norton Rose Fulbright) moderierten das Panel.

Mehr Teilhabe ist erreichbar: Von der Quotenregelung und dem Mut zur Eigeninitiative

Beeindruckend war die große Vielfalt der individuellen Karrierewege – ob durch rechtsanwaltliche Vorbilder in der eignen Familie beeinflusst, als Quereinsteigerin das Privileg der deutschen Justiz schätzen gelernt oder durch die Erkenntnis, dass Diversität die Innovations- und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens fördert: jede Panelistin hat ihren ganz eigenen Antrieb für eine Karriere im Rechtsbereich gefunden. Beim Thema Frauenquote warf Daniela Seeliger ein, dass sie zu Beginn ihrer Anwaltschaft gegen eine Quote war, diese Einstellung sich im Laufe der Zeit unter bestimmten Bedingungen geändert hat. Zustimmung erhielt sie von Dorothee Ruckteschler, die früher auch dagegen war, heute jedoch eine vorübergehende Quote befürwortet, da das bisher Erreichte noch nicht genug sei. Mit mehr Solidarität untereinander, dem Mut, Herausforderungen anzunehmen und einer Strategie, mit der sie selbst das Heft in die Hand nehmen, könnten Frauen mehr erreichen. Ein wesentlicher Hinderungsgrund für die weibliche Karriere ist auch heute noch die bestehende gesellschaftliche Infrastruktur, beispielsweise bei der Kinderbetreuung. Ähnlich sah das auch Susette Schuster: Die Gesellschaft baut noch Hürden für Teilhabe auf. Daher benötigen wir auch neue Blickwinkel, um den Status Quo zu ändern. Für Rita Süssmuth ist die Quote ein „Teufelswort“. Einerseits ist die Quote noch immer eine Notwendigkeit, andererseits könne sie auch dazu dienen, den Anteil der Frauen in verantwortungsvollen Positionen klein zu halten. Parität meint keine 50:50-Quote, sondern Gleichberechtigung.

Bei der Förderung von mehr Teilhabe stehen wir vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, so Caroline Meller-Hannich. Einzelne Leuchttürme und weibliche Vorbilder bleiben zwar wichtig, aber heute müssen mehr Frauen gemeinsam auftreten, um nachhaltig etwas zu ändern. Es müsse ein Reflexionsprozess starten, denn oft gehen Gruppen davon aus, dass Gleichgesinnte dazu kommen – und in der Folge sich kaum etwas ändern wird. Deswegen sei es wichtig, beispielsweise schon im Hörsaal der Universität neue Vorbilder zu zeigen oder sich (in einem Karrierenetzwerk) Hilfe zu holen, wenn nötig. Alisha Andert ergänzt aus eigenen Beobachtungen, dass Frauen oftmals noch nicht das Selbstverständnis haben, sich auf verantwortungsvolle oder leitende Positionen zu bewerben. Männer seien dagegen seit Generationen mit einem anderen Selbstverständnis aufgewachsen. Eine ausgewogene Besetzung hinsichtlich der Geschlechter wie im Vorstand des Legal Tech Verbands sei erreichbar, wenn Diversität wirklich gewollt sei und dafür beispielsweise potenzielle weibliche Kandidaten auch persönlich angesprochen werden. Daniela Seeliger hob hervor, wie wichtig das Netzwerken für das eigene Vorankommen sei. Gleichzeitig bedarf es auch den Rückhalt aus der Familie. Wenn beide Eltern sich gleichberechtigt um die Kinder und die Familie kümmern, ist auch eine höhere Teilhabe der Frauen am beruflichen Aufstieg möglich, wie ihre Erfahrungen aus Schweden zeigten.

Rita Süssmuth sah ihre Rolle vor allem darin, die jüngeren Frauen zu inspirieren, den Blick zu öffnen und zur Mitgestaltung der Zukunft aufzufordern. Es sei wichtig, die Ungleichheit nicht aus den Augen zu verlieren. Beispielsweise gibt es weiterhin eine große Diskrepanz bei der Erwerbstätigkeit in Teilzeit zwischen Männern und Frauen. Veränderung sei nur dann möglich, wenn man sich nicht mit dem Erreichten zufriedengebe, sondern aktiv mitwirke und sich zunächst selbst fragt: Was möchte ich ändern? Frauen sind stark, sollten aber mehr Selbstvertrauen und Zutrauen zum anderen haben. Indem Frauen sich engagieren, austauschen und die Gesellschaft miteinander im Gespräch bleibt, kann Gleichberechtigung gemeinsam mit den Männern gelingen. Dann werden in den nächsten 100 Jahren – wie Alisha Andert und Susette Schuster bekräftigten – keine Paneldiskussion für mehr Frauen in der Anwaltschaft nötig sein.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem Get-Together, bei dem sich die rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei kühlen Drinks und Fingerfood in einer entspannten Atmosphäre kennenlernen und austauschen konnten. „Das Feedback zu dieser Veranstaltung war durchweg positiv“, freuten sich die Moderatorinnen Marina Arntzen und Daniela Seeliger, „und zeigte uns, dass Gleichberechtigung und Teilhabe ganz wichtige und aktuelle Themen für unsere Branche sind.“