Neuer Entwurf der Wertpapierinstituts- vergütungsverordnung veröffentlicht

Die BaFin hat am 19. Oktober 2022 einen überarbeiteten Entwurf der Wertpapierinstitutsvergütungs-Verordnung (WpI-VV-Entwurf) zu Konsultationszwecken veröffentlicht. Mit diesem Entwurf sollen die europäischen Vorgaben der Richtlinie über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen vom 27. November 2019 (Wertpapierfirmenrichtlinie – IFD) im Hinblick auf Vergütungssysteme umgesetzt werden. Ursprünglich sollte die WpI-VV zeitgleich mit dem Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG), das die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen regelt und nur eine Rahmenregelung und Verordnungsermächtigung bezüglich der Vergütungssysteme vorsieht, zum 26. Juni 2021 in Kraft treten. Der zu diesem Zweck im Mai 2021 zur Konsultation gestellte erste Entwurf einer WpI-VV wurde jedoch unter Berücksichtigung der einschlägigen Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die am 22. November 2021 veröffentlicht wurden, noch einmal vollständig überarbeitet. Der nun veröffentlichte überarbeitete WpI-VV-Entwurf weicht dabei in weiten Teilen – sowohl redaktionell als auch in einigen relevanten Punkten inhaltlich – von der Vorgängerversion ab und nähert sich dem Aufbau und der Systematik der Institutsvergütungsverordnung (IVV), die vorranging nur noch auf Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute Anwendung findet, weiter an.

In dem folgenden Beitrag geben wir einen kurzen Überblick über die wesentlichen Aspekte der neuen Vorgaben im Hinblick auf den Anwendungsbereich, die Anforderungen an die variable Vergütung, die Angemessenheit der Vergütung, die Festsetzung des Bonus-Pools sowie die Governance.

Anwendungsbereich

Mittlere Wertpapierinstitute

Wertpapierinstitute werden nach dem WpIG in drei Kategorien unterteilt: kleine, mittlere und große Wertpapierinstitute. Der WpI-VV-Entwurf findet nur auf sog. mittlere Wertpapierinstitute (vgl. § 2 Abs. 17 WpIG) sowie auf übergeordnete Unternehmen Anwendung.

Risikoträger

Abweichend von der IVV, die allgemeine Regelungen für alle Mitarbeiter und besondere Vorgaben für sog. Risikoträger vorsieht, erstreckt sich der Anwendungsbereich des WpI-VV-Entwurfs ausschließlich auf Risikoträger. Hierzu zählen gemäß § 2 Abs. 3 WpI-VV-Entwurf Geschäftsleiter/innen sowie sämtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, deren berufliche Aktivitäten sich wesentlich auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts oder der von ihm verwalteten Vermögenswerte auswirken. Die Risikoträger sind auf Grundlage einer Risikoanalyse eigenverantwortlich durch die Wertpapierinstitute zu identifizieren, wobei die quantitativen und qualitativen Kriterien der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2154 der Kommission vom 13. August 2021 maßgeblich sind.

Angemessenheit der Vergütung

Die Regelung des § 7 WpI-VV-Entwurf, die sich mit der Angemessenheit der Vergütung und Vergütungssysteme befasst, lehnt sich stark an diejenige in § 5 IVV an. So wird auf bewährte Prinzipien, wie z.B. Vermeidung von Anreizen zur Eingehung unverhältnismäßiger Risiken, kein Zuwiderlaufen der Überwachungsfunktion der Kontrolleinheiten, Minderung der variablen Vergütung bei negativen Erfolgsbeiträgen und Grundsätze für die Behandlung von Abfindungen und Karenzentschädigungen, zurückgegriffen – wenn auch zum Teil in etwas abgewandelter bzw. präzisierter Form.

Anders als die IVV enthält der WpI-VV-Entwurf in § 7 Abs. 1 Nr. 1 jedoch auch Aussagen zur Unterscheidung zwischen fixer und variabler Vergütung. Danach spiegelt die fixe Vergütung im Wesentlichen die einschlägige Berufserfahrung und die organisatorische Verantwortung im Unternehmen wider, wie sie als Teil des Arbeits- oder Anstellungsvertrages in der Tätigkeitsbeschreibung der Risikoträger festgelegt ist. Demgegenüber werden mit der variablen Vergütung die nachhaltige und risikobereinigte Leistung der Risikoträger sowie die Leistungen honoriert, die über die Tätigkeitsbeschreibung der Risikoträger hinausgehen.

Anforderungen an die variable Vergütung

Der WpI-VV-Entwurf orientiert sich bezüglich der allgemeinen und besonderen Anforderungen an die variable Vergütung an den Regelungen der IVV:

Verhältnis zwischen variabler und fixer Vergütung

Wertpapierinstitute haben ein angemessenes Verhältnis zwischen der variablen und fixen Vergütung der Risikoträger festzulegen, wobei die Geschäftstätigkeit des Wertpapierinstitutes, die damit einhergehenden Risiken sowie die Auswirkungen zu berücksichtigen sind, die die Risikoträger auf das Risikoprofil des Wertpapierinstituts haben. Anders als nach dem Kreditwesengesetz (KWG) wird jedoch keine feste gesetzliche Obergrenze vorgegeben.

Leistungsbezug der variablen Vergütung

Die Höhe der variablen Vergütung bestimmt sich nach der Leistung und wird auf der Grundlage einer Bewertung der individuellen Erfolgsbeiträge des Risikoträgers (anhand finanzieller und nicht-finanzieller Parameter), der Erfolgsbeiträge des betroffenen Geschäftsbereiches und des Gesamterfolgs des Wertpapierinstituts ermittelt. Eine Leistungsbewertung muss grundsätzlich vor und nach der Festsetzung einer variablen Vergütung vorgenommen werden, wobei die Leistungsbewertung vor der Festsetzung auf Basis eines mindestens einjährigen Bemessungszeitraums zu erfolgen hat.

Malus / Clawback

Gemäß § 9 Abs. 5 WpI-VV-Entwurf ist eine Verminderung oder Rückzahlung der variablen Vergütung durch Malus- oder Rückforderungsregelungen sicherzustellen, die sich nach von dem Wertpapierinstitut festgelegten Kriterien bestimmen. Dabei hat zwingend eine vollständige Verminderung oder Rückzahlung zu erfolgen, wenn der betroffene Risikoträger verantwortlich ist für bei dem Wertpapierinstitut eingetretene erhebliche Verluste, an Aktivitäten teilgenommen hat, die zu erheblichen Verlusten für das Wertpapierinstitut geführt haben oder für seine Tätigkeit nicht mehr als sachkundig und zuverlässig angesehen werden kann. Bei einem schwachen oder negativen Finanzergebnis des Wertpapierinstituts hingegen sollen lediglich bis zu 100 Prozent der variablen Vergütung entfallen.

Gewährung der variablen Vergütung

Mindestens 50% der variablen Vergütung muss aus Instrumenten bestehen. Weiterhin müssen mindestens 40 Prozent der variablen Vergütung zeitverzögert über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren zeitanteilig geleistet werden, wobei sich dieser Anteil auf 60 Prozent im Fall einer besonders hohen variablen Vergütung erhöhen kann (§ 9 Abs. 4 WpI-VV-Entwurf).

Ausnahmen

Neu im Vergleich zur Vorgängerversion ist die Einführung einer sog. De-Minimis-Regelung. Auf jährliche variable Vergütungen, die EUR 50.000 nicht überschreiten und nicht mehr als ein Viertel der jährlichen Gesamtvergütung des betreffenden Risikoträgers ausmachen, sind die Vorgaben bezüglich Auszahlung in Instrumenten, Deferral sowie Malus / Clawback nicht anzuwenden. Von einer Anwendbarkeit dieser Vorgaben kann auch abgesehen werden, wenn das Wertpapierinstitut eines der in § 44 Abs. 3 S. 2 WpIG genannten Kriterien erfüllt.

Bonus-Pool

Der Gesamtbetrag der variablen Vergütungen muss in einem formalisierten, transparenten und nachvollziehbaren Prozess unter angemessener und ihrem Aufgabenbereich entsprechender Beteiligung der Kontrolleinheiten festgesetzt werden. Die Ermittlung der Leistung, die als Basis zur Berechnung des Bonus-Pools herangezogen wird, muss alle Kategorien von bestehenden und zukünftigen Risiken sowie die Kosten der Aufbringung von Eigenmitteln und liquiden Vermögenswerten berücksichtigen. Dabei darf die variable Vergütung nicht die Fähigkeit des Wertpapierinstituts beeinträchtigen, eine angemessene Ausstattung mit Eigenmitteln zu gewährleisten.

Governance

Verantwortlichkeiten

Ebenso wie die IVV sieht der WpI-VV-Entwurf vor, dass die Geschäftsleitung für die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme für Risikoträger, die keine Geschäftsleiter/innen sind, zuständig ist. Das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan, soweit ein solches besteht, ist für die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Geschäftsleiter/innen sowie die Überwachung der angemessenen Ausgestaltung der Vergütungssysteme verantwortlich.

Dokumentations- und Überprüfungspflichten

Nach dem WpI-VV-Entwurf haben Wertpapierinstitute, ähnlich wie nach der IVV, in ihren Organisationsrichtlinien Grundsätze zu den Vergütungssystemen festzulegen und zu dokumentieren. Die Inhalte und Ergebnisse der Entscheidungsprozesse, in denen der Gesamtbetrag der variablen Vergütungen und dessen Verteilung in dem Wertpapierinstitut festgelegt wurden, sind angemessen dokumentieren. Des Weiteren sind die Vergütungssysteme und -parameter im Rahmen einer zentralen und unabhängigen internen Prüfung zumindest einmal jährlich auf ihre Angemessenheit zu überprüfen.

Vergütungskontrollausschuss

Das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des Wertpapierinstituts hat gemäß § 44 Abs. 3 WpIG einen Vergütungskontrollausschuss einzurichten, wobei in bestimmten Fällen hiervon abgesehen werden darf. Der Vergütungskontrollausschuss unterstützt das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan nach § 18 Abs. 2 und 3WpI-VV-Entwurf bei der Überprüfung der Vergütungssysteme für die Risikoträger, die keine Geschäftsleiter/innen sind, sowie der angemessenen Ausgestaltung der Vergütungssysteme für Geschäftsleiter/innen.

Gruppenweite Regelung

Der aktuelle WpI-VV-Entwurf enthält – in Abweichung der Vorgängerversion – in § 19 eine gruppenweite Regelung zur Vergütung, die insbesondere die Vergütungsstrategie, Risikoträgeridentifizierung und Konfliktregelung bei einem nachgeordneten Unternehmen betrifft.

Ein Zeitpunkt, wann die WpI-VV in Kraft treten soll, steht noch nicht fest. Mit der Veröffentlichung des neuen Entwurfs wurde zunächst das Konsultationsverfahren eröffnet und Stellungnahmen hierzu können bis zum 21. November 2022 an die BaFin gerichtet werden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich noch weitere Änderungen ergeben. Nach dem Entwurf soll die WpI-VV am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, wobei hiermit recht zeitnah nach Abschluss des Konsultationsverfahrens zu rechnen ist. Dies würde bedeuten, dass die Vergütungsregelungen der WpI-VV von den mittleren Wertpapierinstituten sofort beachtet werden müssen. Soweit Verträge mit Risikoträgern, Betriebsvereinbarungen oder betriebliche Übungen bestehen, die nicht den Anforderungen der WpI-VV entsprechen, muss das Wertpapierinstitut diese nach § 17 WpI-VV-Entwurf unverzüglich anpassen, soweit dies rechtlich möglich ist. In diesem Zusammenhang weist die Begründung des Referentenentwurfs darauf hin, dass bereits für das laufende Jahr solche Anpassungen vorzunehmen sind.