KI und M&A-Transaktionen: Revolution oder Evolution?

Studie von TU München und Linklaters untersucht Auswirkungen von KI auf M&A sowie die Arbeit von Unternehmensjuristen und Wirtschaftsanwälten

Künstliche Intelligenz wird M&A-Transaktionen stark verändern. Darin sind sich die Teilnehmer einer Studie der Technischen Universität München (TU München) und Linklaters einig. Die Studie untersucht, welchen Einfluss KI-Technologien auf Dynamik und Effizienz von M&A-Transaktionen haben und welche Herausforderungen und Chancen sich daraus für Unternehmensjuristen und Wirtschaftsanwälte ergeben.

Den Ergebnissen zufolge wird die Integration von Künstlicher Intelligenz in das Tages- und Projektgeschäft für Unternehmen zunehmend zur strategisch bedeutsamen Frage. Der Großteil der Unternehmen ist aber noch in einer frühen Phase der Erprobung. Insgesamt wurden 236 Vorstände, Rechtsabteilungsleiter und -mitarbeiter sowie in M&A-Transaktionen involvierte Manager und Experten aus börsennotierten und großen mittelständischen Unternehmen befragt.

Einfluss von KI auf M&A-Transaktionen

84,2 % der Studien-Teilnehmer erwarten erhebliche Auswirkungen beim Due-Diligence-Prozess, 87,1 % sehen Erleichterungen durch KI bei der Risikobewertung sowie beim Compliance-Prozess und 79,6 % erwarten mittlere bis große Verbesserungen beim Verhandlungsprozess. Weitere Verbesserungen werden bei der Entscheidungsfindung (83%), bei den Key Resources (87,1%) und bei der Post-Merger-Integration gesehen (78,3 %).

Die Studie ergibt aber auch, dass Unternehmen KI-Tools bislang nur in geringem Maße bei der Suche nach möglichen Targets verwenden. Sie bewerten die Erfahrung der M&A-Teams und die Investmentstory deutlich stärker als von KI-Tools durchgeführte Screenings. KI-Tools werden hier bislang für eine erste Recherche genutzt; die Arbeitsergebnisse werden aber ausschließlich durch Experten verifiziert und geprüft. Praktisch alle Befragten bezweifeln, dass das tiefe Verständnis der Experten von Transaktionen, Verhandlungen oder Markt durch KI ersetzt wird.

Mario Pofahl, M&A-Partner bei Linklaters und einer der Autoren der Studie, betont: „KI-basierte Tools können bereits heute große Mengen an Dokumenten und Daten in kürzester Zeit nach relevanten Informationen filtern, Informationen aufbereiten und Workflows optimieren. Damit werden Geschwindigkeit und Präzision bei M&A-Transaktionen verbessert. KI kann aber nicht den gesamten Entscheidungsprozess ersetzen. Dazu braucht es bis auf Weiteres Erfahrung und hochspezialisierte Beratung.“

Isabell Welpe, Professorin für Strategie und Organisation an der TU München und Mitautorin der Studie: „Weiter in die Zukunft gedacht, könnte KI sogar eine revolutionäre Rolle für M&A-Prozesse spielen, z.B. durch Szenarioentwicklung und Prognosen in Verhandlungssituationen oder durch die Integration von Quantencomputing zur Lösung komplexer M&A-Probleme. Unternehmen, die diese Technologien frühzeitig und effektiv integrieren, werden einen Wettbewerbsvorteil erlangen.“

Symbiose von Recht und Technik

KI verändert die Arbeit in Rechtsabteilungen grundlegend – nach Meinung der meisten Teilnehmer werden sich Rechtsabteilungen ähnlich wie Anwaltskanzleien verändern. Einige Studienteilnehmer glauben gar, dass KI den „starren deutschen“ Rechtsmarkt „aufmischen“ könnte“, wie es der Vertreter eines großen Online-Händlers formulierte.

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer erwarten starke Veränderungen in der Arbeitsorganisation der Unternehmen, deutliche Einsparungspotenziale bei den Kosten und deutliche Verbesserungen bei der Qualität der Leistungen und Produkte. Die Befragten betonen fast einstimmig, dass KI Routineaufgaben automatisiert und Analyseprozesse optimiert sowie bei der Analyse, Erstellung und Verwaltung von Dokumenten hilft, sodass sich Anwälte auf strategische Aufgaben konzentrieren können. Zwei von drei Befragten erwarten eine deutliche Effizienzsteigerung.

Ein Rechtsabteilungsleiter eines deutschen Mischkonzerns erwartet eine deutliche Veränderung in „den vielen kleinen Bereichen, in denen einfache Verträge aus Standardklauseln bestehen, die wenig Verhandlungsspielraum lassen.“ Eine deutsche Fluggesellschaft z.B. nutzt KI zur Vorsortierung von Passagierbeschwerden.

Die Studienteilnehmer aus der Industrie betonen die Notwendigkeit, IT-Kenntnisse zu entwickeln: „Wir brauchen mehr technisches und IT-Fachwissen, weshalb ich versuche, mehr über KI zu lernen“, sagt der Vertreter eines börsennotierten Herstellers von optischen Geräten. 80% der befragten Rechtsabteilungsleiter sehen einen erheblichen Trainingsbedarf ihrer Teams. Berater, die mit Recht und den Möglichkeiten der KI-Technologien vertraut sind und sie verbinden können, werden in Zukunft gefragt sein.

Vier von fünf Unternehmen testen noch, aber viele sehen den Nutzen

Trotz der erkannten Möglichkeiten ist der Großteil der Unternehmen noch in einer frühen Phase der Erprobung oder Implementierung. Nur 1% der Unternehmen hat bestätigt, KI bereits vollständig in die Geschäftsprozesse implementiert zu haben. 81% der Teilnehmer befinden sich noch in einer Phase der Erprobung. Das Engagement und Interesse von Führungskräften und Mitarbeitern ist hoch. Dabei haben 78% der Führungskräfte ein starkes Interesse an KI, bei den Mitarbeitern sind es lediglich 62%.

Als Hauptbarrieren für die KI-Nutzung identifizieren viele Unternehmen eine unzureichende digitale Infrastruktur und strenge Datenschutzgesetze in Deutschland, die als Innovationsbremsen angesehen werden. Hinzu kommen interne Widerstände, der Mangel an KI-Expertise, kognitive Erschöpfung und zögerliche Bereitschaft, sich Neuem zu öffnen.

Isabell Welpe von der TUM: „Insgesamt haben die Unternehmen die Möglichkeiten und Herausforderungen von KI erkannt und arbeiten aktiv an der Integration von KI in ihre Prozesse.“

Mario Pofahl von Linklaters: „Wichtig für den erfolgreichen Einsatz von KI ist technische Kompetenz auf allen Ebenen, interdisziplinäres Denken und erfolgreiches Schnittstellenmanagement. Der strategische Weitblick des Menschen wird in naher Zukunft noch nicht durch KI ersetzt.“

 

Die Studie zum Download finden Sie hier: Kunstliche Intelligenz | Linklaters.