Reichweite des Rechts auf eine Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO weiterhin unklar

Erst kürzlich hatte sich das BAG (Urt. v. 27.04.2021, Az. 2 AZR 342/20) mit einem Fall zu befassen, in dem ein in der Probezeit gekündigter Arbeitnehmer von seiner ehemaligen Arbeitgeberin die Überlassung von Kopien von personenbezogenen Daten – genauer gesagt von ihn betreffenden E-Mails – verlangte. Die Praxis blickte vor dem Hintergrund der bestehenden erheblichen Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Reichweite des arbeitnehmerseitigen Anspruchs auf Erteilung von „Datenkopien“ insoweit mit Spannung in Richtung Erfurt. Die erwartete höchstrichterliche Entscheidung der äußerst praxisrelevanten Frage blieb jedoch aus. Denn das BAG hatte sich letztlich mit der Frage inhaltlich nicht auseinanderzusetzen, da bereits der Klageantrag den formellen Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit nicht entsprach.

Die Entscheidung des BAG

Konkret ging es in dem vorgenannten Fall um einen Wirtschaftsjuristen, dem in der Probezeit gekündigt worden ist. Nach seinem Ausscheiden verlangte er von seiner ehemaligen Arbeitgeberin auf dem Klageweg vor dem Arbeitsgericht Hameln Auskunft über sämtliche ihn betreffenden personenbezogenen Daten einschließlich Überlassung entsprechender Kopien gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO). Hierbei begehrte der Kläger insbesondere Kopien seines vollständigen E-Mailverkehrs und aller E-Mails, die ihn namentlich erwähnen.

Nachdem die beklagte Arbeitgeberin dem Begehren des Klägers auf Auskunftserteilung nachgekommen war, haben die Parteien den Rechtsstreit in entsprechendem Umfang für erledigt erklärt. Hinsichtlich der Überlassung von Kopien dieser Daten hat das Arbeitsgericht die Klage jedoch abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen dem Antrag auf Überlassung von Kopien teilweise entsprochen. So sei der Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO gewissermaßen als Hilfsanspruch im Zusammenhang mit den in Art. 15 Abs. 1 DSGVO geregelten Pflichtangaben und unter Berücksichtigung von deren Sinn und Zweck – d.h. Ermöglichung einer Überprüfung, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden – zu interpretieren. Vor diesem Hintergrund gebe es keinen Anlass, dem Kläger den E-Mail-Verkehr, den er selbst geführt oder erhalten hat und der ihm dementsprechend bereits bekannt sein muss, zur Verfügung zu stellen.

Gegen die teilweise Abweisung seiner Klage zog der Kläger vor das Bundesarbeitsgericht. Dieses traf jedoch keine Sachentscheidung. Denn der Kläger habe in seinem Antrag nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zum Ausdruck gebracht, die Kopie welcher E-Mails er begehre, so dass kein vollstreckungsfähiger Antrag vorliege. Der mit der Sache befasste Zweite Senat konnte deshalb offenlassen, welche Reichweite das Recht auf Überlassung einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO hat und insbesondere, ob und unter welchen Voraussetzungen auch die Erteilung einer Kopie von E-Mails erfasst sein kann.

Überblick über den Meinungsstand

Wie dringlich es einer klaren Aussage des BAG bedurft hätte, verdeutlicht der derzeitige Meinungsstand zur Reichweite des Anspruchs auf Erteilung einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Die bislang ergangene instanzgerichtliche Rechtsprechung und einschlägige Literaturbeiträge sind uneinheitlich. So halten sich Fundstellen für restriktivere und extensivere Interpretationsmöglichkeiten bislang nahezu die Waage. Darüber hinaus finden sich bislang kaum Entscheidungen oder Beiträge, anhand derer sich halbwegs verlässliche, allgemeingültige und handhabbare Leitlinien für die Praxis ableiten lassen.

Als letzter – und vergleichsweise hilfreicher – Anhaltspunkt taugen in diesem Zusammenhang die Veröffentlichungen der Landesdatenschutzbehörden. So verfolgt beispielsweise das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) einen eher restriktiven Ansatz und sieht in Art. 15 Abs. 3 DSGVO keinen allgemeinen Anspruch auf Kopien von Akten oder sonstigen Dokumenten, wozu letztlich auch E-Mails gehören dürften. In die gleiche Richtung gehen die Ausführungen des Hessischen Datenschutzbeauftragten (HBDI) auf seiner Webseite, wonach der Kopie-Begriff des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO im Sinne einer sinnvoll strukturierten Zusammenfassung zu verstehen sei, da der Wortlaut der Vorschrift von einer Kopie der „personenbezogenen Daten“ und gerade nicht von einer Kopie „sämtlicher Unterlagen, Dokumente oder Akten“, in denen diese Daten enthalten sind, spreche.

Auswirkungen für die Praxis

Dementsprechend stehen Arbeitgeber und deren Berater weiterhin vor einer erheblichen Herausforderung, wenn Arbeitnehmer – oftmals im Kündigungsfall – einen Auskunftsanspruch über personenbezogene Daten geltend machen und diesen mit einem Anspruch auf Vorlage von Kopien kombinieren. So wird eine weite Auslegung des Anspruchs auf Erteilung einer Kopie in der Praxis regelmäßig mit großem Aufwand verbunden und oftmals sogar kaum umsetzbar sein, wenn man bedenkt, wie viele Daten und insbesondere E-Mails mit auch nur denkbar geringem Personenbezug sich bei zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses anhäufen dürften. Bei einer zu engen Interpretation sehen sich Arbeitgeber hingegen der Gefahr ausgesetzt, vom Arbeitnehmer in ein oftmals langwieriges Gerichtsverfahren gezogen zu werden, dessen Ausgang ungewiss ist und an dessen Ende der Arbeitgeber im „Worst Case“ gerichtlich attestiert bekommt, gegen die DSGVO verstoßen zu haben.

Nachdem die von vielen herbeigesehnte Sachentscheidung des Zweiten Senats zur Reichweite zu Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO überraschend ausgeblieben ist, sehen sich Arbeitgeber und deren Berater bis auf weiteres mit den beschriebenen Schwierigkeiten konfrontiert. Es ist davon auszugehen, dass Arbeitnehmer diese zulasten der Arbeitgeberseite bestehende Rechtsunsicherheit weiterhin als Druckmittel in Beendigungssituationen ausspielen werden. Bis zum Vorliegen einer höchstrichterlichen Entscheidung empfiehlt sich für Arbeitgeber, den Arbeitnehmer aufzufordern, seinen Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO zu präzisieren bzw. einzugrenzen. In einem weiteren Schritt ist vor Herausgabe von E-Mails und sonstigen Unterlagen zu prüfen, ob ein Ausnahmetatbestand einschlägig ist, so dass der Umfang der verlangten Dokumente weiter eingegrenzt werden kann. Zudem bietet sich ein Blick in die Verlautbarungen der Landesdatenschutzbehörde des jeweiligen Bundeslandes an, die ebenfalls eine nützliche Hilfestellung bieten können.