Finanzmarktregulierung
Der Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ von CDU/CSU und SPD legt die Leitlinien für die 21. Legislaturperiode fest. Für den Finanzsektor enthält der Koalitionsvertrag zahlreiche relevante Punkte, die sowohl Kontinuität als auch potenzielle Neuausrichtungen in der Regulierungs- und Wirtschaftspolitik signalisieren. Nachfolgend fassen wir die wesentlichen Aspekte im Bereich Finanzmarktregulierung zusammen.
Investitionsoffensive und Mittelstandsförderung
Ein zentraler Fokus liegt auf Investitionen zur Stärkung der deutschen Wirtschaft (Zeilen 110 ff.). Geplant ist eine umfassende „Investitionsoffensive“, deren Kernstück ein „Deutschlandfonds“ sein soll. Ausgestattet mit mindestens EUR 10 Milliarden Eigenmitteln des Bundes, soll dieser durch privates Kapital und Garantien auf bis zu EUR 100 Milliarden gehebelt werden, um vorrangig Investitionen in Mittelstand und Scale-ups zu fördern. Begünstigte solcher Förderungen könnten auch Fintech-Unternehmen sein.
Parallel dazu soll die bestehende Finanzierungsarchitektur für Start-ups auf ihre Effizienz hin überprüft werden (Zeilen 123 f.). Damit wird das bereits im Koalitionsvertrag der Ampel enthaltene Ziel der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Start-ups und Innovationen aufgegriffen und fortgesetzt.
Zusätzlich soll ein Mittelstand-Fonds eingerichtet werden, der mit EUR 2 Milliarden aus Altmitteln der früheren Bankenabgabe gespeist wird. Gehebelt auf bis
zu EUR 10 Milliarden, soll er Eigen- und Fremdkapital für die digitale und klimaneutrale Transformation größerer Mittelständler mit begrenztem Kapitalmarktzugang bereitstellen (Zeilen 1586 ff.). Dies stellt eine Abkehr von den Plänen der Ampel-Regierung dar, die die Mittel der Bankenabgabe zur Tilgung von Defiziten im Finanzmarktstabilisierungsfonds verwenden wollte, was von den deutschen Banken kritisiert wurde. Der entsprechende Gesetzesentwurf der Vorgängerregierung wurde allerdings nicht mehr verabschiedet.
Des Weiteren strebt die Koalition an, einen rechtssicheren und wettbewerbsfähigen Rahmen für Fondsinvestitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien zu schaffen, einschließlich zielgerichteter steuerrechtlicher Anpassungen (Zeilen 1571 ff.). Damit wird ein Vorhaben aus dem Ampel-Koalitionsvertrag fortgeführt, dessen konkrete Umsetzung im Entwurf des Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetzes vor Ende der letzten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet wurde.
Um Investitionen in Infrastruktur und Wagniskapital zu erleichtern, soll auf EU-Ebene auf eine Anpassung der Eigenkapitalanforderungen unter Solvency II hingewirkt und die Beteiligungsmöglichkeiten institutioneller Investoren insgesamt verbessert werden (Zeilen 125 ff., 1574f.). Die neue Regierung greift damit Pläne der Europäischen Kommission auf, die diese Mitte März 2025 in ihrer Mitteilung zur Spar- und Investitionsunion skizziert hatte (siehe Finance kompakt vom 27. März 2025). Vorgesehen hat die Kommission darin u.a. eine Überarbeitung der Delegierten Verordnung zu Solvency II zur Konkretisierung der Anforderungen für bestimmte Eigenkapitalerleichterungen. Ob die neue Regierung darüber hinaus auch den Level-I-Text so kurz nach dem erst im Januar verabschiedeten Review von Solvency II erneut anpassen möchte, bleibt abzuwarten.
Stärkung des Kapitalmarkts und europäische Regulierung
Ein leistungsfähiger Kapitalmarkt wird als industriepolitisches Ziel angesehen
(Zeilen 1560 ff.). Die Koalition plant sich dazu für eine einheitliche europäische Finanzregulierung einzusetzen. Sie will dabei ausdrücklich auf nationales „Goldplating“, sprich strengere nationale Regeln als europarechtlich vorgegeben, verzichten – eine Forderung, die auch der Bundesrat im Februar 2025 sowie diverse Marktteilnehmer geäußert hatten.
Die EU-Kommission soll aufgefordert werden, regelmäßig Berichte zur europäischen Finanzmarktregulierung im internationalen Vergleich vorzulegen, die Handlungsoptionen aufzeigen (Zeilen 1565 ff.). Diese sollen bei künftigen Regulierungsinitiativen berücksichtigt werden.
Unterstützt wird ferner die Weiterentwicklung der europäischen Banken- und Kapitalmarktunion hin zur von der Kommission vorgeschlagenen Spar- und Investitionsunion, um die Wachstumsfinanzierung in Europa
zu stärken (Zeilen 1592 ff., 4335 f.).
Bankensystem und Einlagensicherung
Das bewährte deutsche Drei-Säulen-Bankensystem (Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Privatbanken) soll erhalten bleiben
(Zeilen 1594 ff., 4336 f.). Bei künftigen Regulierungsänderungen sollen die Belange kleinerer Institute konsequent berücksichtigt werden – ein Aspekt der Proportionalität, den auch die Vorgängerregierung betont hatte.
Im Hinblick auf die europäische Einlagensicherung (EDIS) bleibt die Koalition bei einer zurückhaltenden Linie: Eine vergemeinschaftete Einlagensicherung ohne Vorbedingungen wird abgelehnt (Zeilen 1599 f.). Stattdessen wird eine risikoadäquate Ausgestaltung gefordert, die die Erfordernisse des deutschen Bankensystems berücksichtigt. Welche weiteren Vorbedingungen erfüllt sein müssen, lässt der Vertrag offen und ist damit weniger konkret als der der Ampelkoalition, der eine europäische Rückversicherung für nationale Einlagensicherungssysteme an Stelle einer Vollvergemeinschaftung favorisierte. Die Befürchtung der Regierung, dass dt. Einleger für Kriseninstitute in anderen Mitgliedstaaten aufkommen müssten, hat folglich weiterhin Bestand.
Digitalisierung im Zahlungsverkehr und Kryptowerte
Im Zahlungsverkehr wird Wahlfreiheit angestrebt: Neben Bargeld soll schrittweise mindestens eine digitale Zahlungsoption für Alltagsgeschäfte angeboten werden (Zeilen 1577 ff.). Sollte es tatsächlich zur Einführung einer Verpflichtung zur Bereitstellung einer digitalen Zahlungsmöglichkeit in Gastronomie und Einzelhandel kommen, könnte dies einen nicht unerheblichen Schub für die deutsche Zahlungsdiensteindustrie bedeuten.
Ein digitaler Euro wird grundsätzlich unterstützt, sofern er einen echten Mehrwert bietet, das Bargeld ergänzt, die Privatsphäre schützt und die Finanzstabilität nicht gefährdet (Zeilen 1581 ff.). Diese Position ist etwas konkreter als die der Ampel, die die Einführung lediglich „konstruktiv begleiten“ wollte.
Die Regulierung von Kryptowerten soll auf etwaige Lücken überprüft und diese gegebenenfalls geschlossen werden (Zeilen 1601 ff.). Deutschland gilt als einer der Vorreiter in Sachen Kryptoregulierung. Mit dem Anwendungsbeginn der europäischen Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR) gilt es zu prüfen, inwieweit bei den bisherigen nationalen Regelungen, die bereits durch das Finanzmarktdigitalisierungsgesetz an die europäischen Vorgaben angepasst wurden, weiterer Anpassung bedürfen, um Widersprüche zu vermeiden.
Finanzanlagenberatung und Verbraucherschutz
Die honorar- und provisionsbasierte Finanzberatung sollen nebeneinander erhalten bleiben. Damit bekräftigt die Koalition die bisher auch im Rahmen der EU-Diskussionen zur Kleinanlegerstrategie vertretenen Position gegen ein weitreichendes Provisionsverbot. Es soll zudem geprüft werden, ob die Instrumente der BaFin zur Missstandsaufsicht ausreichen, um Fehlanreize in der Finanzberatung zu verhindern. (Zeilen 1608 ff.).
Im Bereich Verbraucherschutz sollen der Graue Kapitalmarkt und Schattenbanken auf Regulierungslücken überprüft und diese Lücken geschlossen
werden (Zeilen 1601 ff.). Damit wird ein Vorhaben, das sich bereits im Koalitionsvertrag der Ampel fand, fortgesetzt.
Zudem soll geprüft werden, ob Kostendeckel für Basiskontenentgelte und Dispozinsen erforderlich sind, um angemessene Entgelte
sicherzustellen (Zeilen 1605 ff.).
Nicht genannte Projekte
Im Koalitionsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt wird dagegen u.a. der im gescheiterten Entwurf des Zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgesehene Wegfall der Erlaubnispflicht für Drittstaatenhandelsplätze
(§§ 102-105 Wertpapierhandelsgesetz). Ob diese Änderungsvorschläge von der neuen Regierung nochmals aufgegriffen werden, ist noch offen.