Umwelt, Planung und Genehmigung

Im Koalitionsvertrag 2025 nehmen sich CDU/CSU und SPD die weitere Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vor. Damit knüpfen sie an ihre Vorgängerregierung an. Es handelt sich um ein echtes Querschnittsthema, das für viele Sachgebiete von Bedeutung ist – insbesondere für Industrieanlagen und Infrastrukturvorhaben, aber auch für erneuerbare Energien und Klimaschutzvorhaben. Beschleunigungspotenziale sollen dafür nicht nur im nationalen Recht, sondern auch auf europäischer Ebene gehoben werden, insbesondere im Bereich des Umweltschutz- und Verbandsklagerechts.

Vereinfachungen und Beschleunigungen im Verfahrensrecht

Bereits die Ampelkoalition hatte sich die Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung im Jahr 2021 in ihrem Koalitionsvertrag als ein zentrales Projekt vorgenommen und auch schon zahlreiche konkrete Maßnahmen umgesetzt, die sich inhaltlich vor allem zum einen auf den Ausbau erneuerbarer Energien, zum anderen auf den aufgrund der Gasversorgungskrise erforderlich gewordenen Ausbau der Gasinfrastruktur (z.B. mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz – LNGG) beziehen. Die neue Regierung will daran anknüpfen und insbesondere ein einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturvorhaben einführen („one-for-many“), das sich auch am LNGG orientieren soll (Zeilen 685 ff., 1937 ff.). Das LNGG, das Mitte 2025 ausläuft, enthält zahlreiche weitgehende Ausnahmen von den üblichen Verfahren, insbesondere verkürzte Beteiligungsfristen und einen Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Diese Vereinfachungen waren indes teilweise primär aufgrund der Gasversorgungskrise unionsrechtlich zulässig, sodass deren dauerhafte Umsetzung für andere Vorhaben weitergehend begründet werden müsste und ggf. Veränderungen auf europäischer Ebene erforderlich machen könnte.

Die Schaffung solcher europäischer Ausnahmeregelungen nach dem Vorbild der sog. EU-Notfallverordnung, die den beschleunigten Ausbau zur Nutzung erneuerbarer Energien betraf und die UVP-Pflicht für diese Vorhaben unter bestimmten Voraussetzungen aussetzte, hat sich die neue Regierung dementsprechend als Ziel gesetzt (Zeilen 1937 ff.). Indes erfordert dies die Abstimmung auf europäischer Ebene, insbesondere die Unterstützung der Kommission und einer ausreichenden Anzahl an anderen Mitgliedstaaten. Im Hinblick auf die UVP will die Koalition auch im Übrigen „nach EU-Recht zulässige Spielräume“ nutzen (Zeilen 1348 ff., 2127 ff.). So sollen unter anderem Schwellenwerte für Vorhaben mit UVP-Pflicht angehoben und eine Aussetzung der UVP-Vorprüfung für Änderungsvorhaben geprüft werden. In der Tat bieten die EU-rechtlichen Grundlagen zwar gewisse Spielräume für die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der konkret UVP-pflichtigen Vorhaben. Allerdings birgt ein „Ausreizen“ solcher Möglichkeiten stets auch ein gewisses Risiko, dass der EuGH die Grenzen im Fall einer gerichtlichen Vorlage oder eines Vertragsverletzungsverfahrens als überschritten ansehen könnte.

Im Rahmen des Verfahrensrechts sollen außerdem Erörterungstermine fakultativ gestellt werden (wie es heute allerdings bereits weitgehend der Fall ist), das Beteiligungsverfahren soll auf eine „einmalige Beteiligung“ beschränkt werden (Zeilen 689 ff.). Zudem soll – wie z.B. im WindSeeG für den Ausbau der Nutzung von Offshore-Windenergie bereits erfolgt – die Plangenehmigung zum Regelverfahren werden, die abweichend vom derzeit regelmäßig erforderlichen Planfeststellungsbeschluss kein umfassendes Verfahren mit formalisierter Öffentlichkeitsbeteiligung erfordert (Zeilen 694 ff., 2130 f.). Ambitioniert erscheinen Pläne für eine Wiedereinführung der sog. materiellen Präklusion, also des Ausschlusses sachlicher Argumente für Klageverfahren, die nicht bereits im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung geltend gemacht worden sind (Zeilen 2119 ff.). Diese früher im deutschen Verfahrensrecht verankerte Regelung hatte der EuGH für weitgehend unionsrechtswidrig erklärt, sodass auch insoweit eine Änderung von EU-Recht erforderlich sein dürfte.

Schließlich beabsichtigt die Koalition die weitgehende Einführung der sog. Genehmigungsfiktion als Standard (Zeilen 342 ff., 2115 ff.). Das hätte zur Folge, dass eine erforderliche Genehmigung als erteilt gilt, wenn die Genehmigungsbehörde den entsprechenden Antrag nicht innerhalb einer bestimmten Frist ablehnt. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Konstruktion, die bisher eher ein Nischendasein führt und häufig v.a. bei Baugenehmigungen im vereinfachten Verfahren auf Landesebene eingesetzt wird, auf komplexe Genehmigungen übertragen lässt, die üblicherweise nur nach umfassenden Prüfungen und mit umfangreichen Nebenbestimmungen erteilt werden. Auch wären insofern ggf. ebenfalls einschlägige unionsrechtliche Vorgaben zu beachten.

Erleichterungen im materiellen Recht

Auch im materiellen Recht möchte die neue Regierung verschiedene Erleichterungen einführen. So soll u.a. eine verbindliche Stichtagsregelung geschaffen werden, nach der nicht mehr die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung, sondern das zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im Planungsprozess geltende Recht maßgeblich sein soll (Zeilen 691 ff.). Eine entsprechende Regelung hatte die Vorgängerregierung bereits in § 10 Abs. 5 Satz 4 BImSchG für EE- und Wasserstoffanlagen eingeführt. Durch eine solche Regelung würden Vorhabenträger tatsächlich zusätzliche Sicherheit gewinnen, dass ein beantragtes Projekt auch (ohne umfangreiche Anpassungen) zugelassen werden kann. Allerdings muss eine solche Stichtagsregelung sorgfältig austariert und begründet werden, um etwaige Konflikte mit unionsrechtlichen Vorgaben zu vermeiden.

Generell sollen die nationalen Umsetzungen von Unionsrecht so schlank wie möglich 1:1 umgesetzt werden (konkret benannt werden hier die novellierte Industrieemissionsrichtlinie sowie die EU-Luftqualitätsrichtlinie, Zeilen 148, 1201 ff.).

Das im Wesentlichen von der Vorgängerregierung entwickelte und in der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung bislang gut angenommene gesetzlich normierte „überragende öffentliche Interesse“, das bisher v.a. für EE-Anlagen und Netzausbaumaßnahmen gilt, soll auf weitere Sachgebiete ausgeweitet werden (Zeilen 689 ff., 1005 ff., 1086 ff., 1935 ff., 2211 ff., 4211 ff.). Dazu zählt das Bundesraumordnungsrecht, Energiespeicher, CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen (siehe auch Klimaschutz und Energiepolitik), Mobilfunk- und Glasfaserausbau sowie die aus dem Sondervermögen finanzierten Infrastrukturvorhaben (welche genau das sein werden, wäre noch näher zu bestimmen), ggf. auch sonstige große Infrastrukturvorhaben außerhalb des Sondervermögens und die Belange und Infrastrukturmaßnahmen zur Gesamtverteidigung. Eine solche gesetzliche Normierung führt grundsätzlich zur Vereinfachung erforderlicher Abwägungen zugunsten erfasster Vorhaben und kann damit tatsächlich einen vereinfachenden und beschleunigenden Effekt entfalten. Interessant wird in Anbetracht der zu erwartenden erheblichen Ausweitung dieses Instruments sein, wie im Fall von Konflikten verschiedener Vorhaben von jeweils „überragendem öffentlichen Interesse“ vorgegangen wird.

Einschränkung von Informations-, Beteiligungs- und Klagerechten

Eine weitere Vereinfachung soll durch eine Reformierung des Verbandsklagerechts erfolgen, das anerkannten Umweltvereinigungen derzeit ermöglicht, bestimmte Zulassungsentscheidungen anzugreifen, ohne eine eigene Betroffenheit geltend machen zu müssen. Dieses Klagerecht soll nun „bis auf das europarechtliche Mindestmaß“ abgesenkt und bei Beteiligungs- und Klagerechten eine Fokussierung auf unmittelbare Betroffenheit angestrebt werden (Zeilen 1353 ff., 2124 ff.). Außerdem soll das Umwelt-Informationsgesetz (UIG) verschlankt werden.

Insbesondere eine Einschränkung von Verbandsklagerechten kann zwar in der Tat zu einer schnelleren Schaffung von Rechtssicherheit und damit potenziell zu einer Beschleunigung der Vorhabenrealisierung führen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten nicht nur auf EU-Recht beruhen, sondern letztlich auf die internationale Aarhus-Konvention zurückgehen, zu deren Unterzeichnern sowohl die Bundesrepublik als auch die EU gehören. Gerade die hierin begründeten Verbandsklagerechte haben in der Vergangenheit bereits zu mehreren Urteilen des EuGH und daraus resultierenden Änderungen bzw. Erweiterungen der deutschen Umsetzung im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geführt. Eine erneute Beschränkung der Verbandsklagerechte ohne Anpassung der EU- und ggf. auch völkerrechtlichen Grundlagen dürfte daher nur sehr begrenzt möglich sein. Das scheint auch die Koalition erkannt zu haben, da sie ebenfalls ankündigt, durch Initiativen der Bundesregierung auf eine „weitere internationale Reduzierung“ hinwirken zu wollen (Zeilen 2125 ff.).

Chemikalienrecht

Die Koalition will Deutschland ferner zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort machen (Zeilen 177 ff., siehe auch Gesundheitspolitik). Hierfür soll eine sog. Chemieagenda 2045 erarbeitet werden. Außerdem lehnt die neue Regierung ein „Totalverbot von Stoffgruppen“ ab und will sich für einen „ausgewogenen europäischen Regulierungsrahmen mit einem risikobasierten Ansatz in der Chemikalienpolitik“ einsetzen. Diese Ankündigungen sind vor dem Hintergrund des europäischen Chemikalienrechts zu sehen, dessen zentrales Regelwerk die sog. REACH-Verordnung ist. Auf deren Grundlage befindet sich bereits seit Längerem ein Beschränkungsvorschlag im Legislativverfahren, der die Verwendung der Stoffgruppe der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), die in jüngerer Zeit sowohl von behördlicher Seite als auch in der Öffentlichkeit vermehrte Aufmerksamkeit erfahren hat, grundsätzlich komplett verbieten und nur eng umgrenzte Ausnahmen zulassen soll. Der Koalitionsvertrag legt nahe, dass die neue Bundesregierung dem Vorschlag – sollte die Kommission in der derzeitigen Form beschließen – nicht zustimmen wird (Zeilen 1210 ff.). Ob das Stoffverbot dadurch aufgehalten werden kann, hängt davon ab, ob genügend weitere Mitgliedstaaten sich der Position der Bundesregierung anschließen. Im Übrigen plant die Kommission grundsätzlich auch eine weitergehende Reform der REACH-Verordnung und hatte insoweit bspw. die Einführung eines sog. generischen Risikoansatzes, der potenziell weitgehende Stoffverbote auf Grundlage allgemeiner Risikoeinschätzungen vereinfacht hätte, erwogen. Dem scheint sich die Koalition nun ebenfalls entgegenzustellen. Allerdings hat sich auch die neue Kommission nach der letzten Europawahl noch nicht dahingehend positioniert, ob dieser Ansatz überhaupt weiterverfolgt werden soll.