Koalitionsvertrag – Aspekte für den Finanzsektor

Der am 24. November 2021 von SPD, Grünen und FDP vorgestellte Koalitionsvertrag enthält ebenfalls Vorhaben im Finanzrecht. Wir geben Ihnen hiermit einen Überblick der wichtigsten Vorhaben. Die Angaben in den Klammern beziehen sich auf die entsprechende Zeilennummer des Koalitionsvertrags.

Bankenunion/Finanzmarktregulierung
  • Vollendung der Bankenunion und Erhalt des Drei-Säulen-Modells im deutschen Bankenmarkt (Zeile 5696 f.).
  • Schaffung einer europäischen Rückversicherung für nationale Einlagensicherungssysteme, die bei den Beiträgen strikt nach Risiko differenziert. Weitere Reduzierung von Risiken in den Bankbilanzen, die weitere Stärkung des Abwicklungsregimes und der Erhalt der Institutssicherung der Sparkassen und Volksbanken. Ablehnung einer Vollvergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme in Europa (Zeile 5701 f.).
  • Vertiefung der Kapitalmarktunion, u.a. durch den Abbau von Unterschieden im Insolvenz-, Steuer-, Verbraucherschutz-, Aufsichts- und Gesellschaftsrecht auf EU-Ebene (Zeile 5713 f.).
  • Stärkung der Markttransparenz durch Überarbeitung der Finanzmarktregeln MiFID/MiFIR, um der Fragmentierung des europäischen Wertpapierhandels entgegenzuwirken (Zeile 5717 f.).
  • Umsetzung von Basel III/IV mit allen seinen zentralen Elementen unter Beachtung von investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen (Zugang zu Ratings und Erhalt des KMU-Faktors). Systematische Evaluierung der im Zuge der COVID 19-Pandemie eingeführten Erleichterungen bei Eigenkapitalregelungen, um beurteilen zu können, ob und inwiefern die Erleichterungen beibehalten werden können (Zeile 5729 f.).
  • Proportionalität der Bankenaufsicht und -regulierung. Abbau von Wettbewerbsnachteilen für kleinere Banken. Passgenaue Regulierung und substanzielle Erleichterungen (SREP-Prozess, Meldewesen) für sehr gut kapitalisierte kleine und mittlere Banken mit risikoarmen Geschäftsmodellen (Zeile 5729 f.).
  • Angemessene Regulierung und Beaufsichtigung von "Schattenbanken" sowie Unterstützung der Arbeit des Financial Stability Board (Zeile 5745 f.).
  • Begrenzung von Verzerrungen durch Hochfrequenzhandel mittels geeigneter Marktregeln. Begrenzung der Spekulation mit Nahrungsmitteln durch die Absenkung der Positionslimits auf europäischer Ebene (Zeile 5749 f.).
  • Fortsetzung der Reform der deutschen Finanzaufsicht BaFin. Stärkere Standardisierung für die Erstellung von Prospekten. Weitere Stärkung der Möglichkeiten der BaFin bei der Prüfung von Vermögensanlageprospekten (Zeile 5754 f.).
  • Beauftragung der BaFin Regulierungslücken im Grauen Kapitalmarkt zu identifizieren (Zeile 5767 f.)
  • Entkoppelung des Abschlusses des Versicherungsvertrages und des Kreditvertrags bei Restschuldversicherungen zeitlich um mindestens eine Woche (Zeile 5769 f.).
  • Entwicklung einer abgestimmten Strategie zwischen Bund, Ländern und EU zur Bekämpfung von Geldwäsche sowie Überprüfung der Zuständigkeiten. Zügige Umsetzung möglicher Empfehlungen aus der FATF-Deutschlandprüfung ins deutsche Recht. Übertragung der Geldwäscheaufsicht über besonders finanzmarktnahe Verpflichtete auf die BaFin. Aufbau der notwendigen Informations- und Erkenntnisgrundlage für die laufende Bewertung und Verbesserung der Effektivität der Geldwäschebekämpfung (Zeile 5790 f.).
  • Einsatz auf EU-Ebene dafür, die zentralen Geldwäschevorschriften in eine Verordnung zu überführen (Zeile 5802 f.).
  • Befürwortung einer effektiven und unabhängigen EU-Geldwäschebehörde mit Sitz in Frankfurt am Main wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen. Zuständigkeit der EU-Aufsichtsbehörde für den klassischen Finanzsektor sowie für die Verhinderung des Missbrauchs von Kryptowerten für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (Zeile 5802 f.).
  • Stärkung der FIU durch Ausstattung mit allen rechtsstaatlich abgesicherten Befugnissen und Zugang zu allen nötigen Informationen. Ansiedelung von Verbindungsbeamten aus den Landeskriminalämtern bei der FIU und Verbesserung des risikobasierten Ansatzes (Zeile 5810 f.)
  • Verbesserung der Qualität der Daten im Transparenzregister, sodass die wirtschaftlich Berechtigten in allen vorgeschriebenen Fällen tatsächlich ausgewiesen werden, sowie digitale Verknüpfung mit anderen in Deutschland bestehenden Registern (Zeile 5821 f.)
  • Versicherungen

    Überprüfung von Solvency II vor dem Hintergrund der Stärkung des europäischen Versicherungsmarkts unter anderem, indem Klimarisiken angemessen und der Proportionalitätsgrundsatz stärker berücksichtigt werden (Zeile 5853 f.).

    Nachhaltiges Finanzwesen
  • Erarbeitung einer Industriestrategie, die in Verbindung mit dem europäischen "Green Deal" in eine europäische Lösung eingebettet ist und Carbon Leakage durch geeignete Maßnahmen verhindert.
  • Schaffung von für die Erreichung der Klimaziele geeigneten Instrumenten, beispielsweise Carbon Contracts for Difference (Klimaverträge, CCfD) und Einführung eines europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus oder vergleichbar wirksamer Instrumente (Zeile 745 f.).
  • Auflegung eines Transformationsfonds bei der KfW und Nutzung von Klimaschutzdifferenzverträgen (Zeile 2095 f.)
  • Ausweitung von Green Bonds (Zeile 5477 f).
  • Befürwortung von europäischen Mindestanforderungen im Markt für ESG-Ratings und die verbindliche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Kreditratings der großen Ratingagenturen (Zeile 5777).
  • Unterstützung des Vorhabens einer "Corporate Sustainability Reporting Directive" der Europäischen Kommission (Zeile 5784).
  • Implementierung einer Sustainable Finance Strategie auf Basis der Empfehlungen des bestehenden Sustainable Finance-Beirats (Zeile 5786).
  • Nutzung der Potentiale der Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit, z.B. durch die Förderung digitaler Zwillinge (virtuelle Modelle für analoge Produkte) sowie der Klimaneutralität deutscher Rechenzentren (Zeile 504 f.).
  • Digitalisierung
  • Abbau von Digitalisierungshemmnissen (Schriftform u. a.) mittels Generalklauseln und Vereinheitlichung von Begriffen (z. B. "Einkommen") (Zeile 406 f.).
  • Einführung effektiver und zügiger Genehmigungsverfahren für FinTechs und Schaffung eines Rechtsrahmens für digitale Finanzdienstleistungen ohne Medienbrüche (Zeile 5833 f.).
  • Ausweitung der Möglichkeit zur Emission elektronischer Wertpapiere auch auf Aktien (Zeile 5835 f).
  • Konstruktive Begleitung des Einführungsprozesses eines digitalen Euros (Zeile 5837 f.).
  • Schaffung einer eigenständigen europäischen Zahlungsverkehrsinfrastruktur und offener Schnittstellen für einen barrierefreien Zugang zu digitalen Finanzdienstleistungen für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Händler (Zeile 5837 f.).
  • Gemeinsame europäische Aufsicht im Kryptobereich und Verpflichtung der Kryptoassetdienstleister zur konsequenten Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten (Zeile 5849 f.)
  • Start-up Förderung
  • Stärkung der staatlichen Förderbank KfW als Innovations- und Investitionsagentur sowie als Co-Wagniskapitalgeber (insbesondere für KI, Quantentechnologie, Wasserstoff, Medizin, nachhaltige Mobilität, Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft) (Zeile 908 f.).
  • Ermöglichung der Mobilisation von privatem Kapital institutioneller Anleger, wie Versicherungen und Pensionskassen, für die Startup-Finanzierung (Zeile 911 f.).
  • Öffnung des Wagniskapitalmarktes auch für institutionelle Investoren und Ergänzung der deutschen Finanzierungslandschaft über eine flexible Modulausgestaltung des Zukunftsfonds sowie Erleichterung von Börsengängen und Kapitalerhöhungen und Schaffung der Möglichkeit der Emission von Aktien mit unterschiedlichen Stimmrechten (Dual Class Shares) für Wachstumsunternehmen und KMUs (Zeile 5726 f.).
    Verbraucherschutz
  • Stärkerer Fokus auf die individuellen Verhältnisse von Verbraucherinnen und Verbrauchern bei der Vergabe von Krediten an diese (Zeile 3754 f.).
  • Begrenzung der Kosten für Vorfälligkeitsentschädigungen auf das Angemessene sowie fairer Zugang zu einem Basiskonto und Schaffung von Transparenz (Zeile 3758 f.).
  • Bündelung der behördlichen Aufsicht für Inkassounternehmen (Zeile 3760 f.).