Plattformarbeit: Antworten der Sozialpartner auf die erste Phase der Anhörung der EU-Kommission zum Schutz der über Plattformen arbeitenden Menschen und Beginn der zweiten Phase der Anhörung

Seit Februar 2021 führt die Europäische Kommission eine zweistufige Anhörung der EU-Sozialpartner gemäß Artikel. 154 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) zur Regulierung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern durch. Dabei stellt sie mögliche Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Plattformarbeit vor, die einer näheren Betrachtung bedürfen.

In der ersten Phase der Anhörung, die von Februar bis April 2021 dauerte, wurden die Sozialpartner zu der Notwendigkeit und der möglichen Ausrichtung von EU-Maßnahmen konsultiert. (Zur ersten Phase und den ersten Antworten siehe unseren Artikel auf Deutsch). Die Kommission erhielt daraufhin Antworten von 14 EU-Sozialpartnern und leitete die zweite Phase des Konsultationsverfahrens ein, die bis Ende September 2021 dauern wird. Sie konsultiert die Sozialpartner nun zu dem möglichen Instrument und Inhalt des geplanten Vorschlags. In diesem Artikel fassen wir die jüngsten Entwicklungen zusammen.

Antworten der EU-Sozialpartner

Die folgenden EU-Sozialpartner gaben während der ersten Konsultationsphase Stellungnahmen ab: 

EU-Gewerkschaftsverbände 

  • European Trade Union Confederation (ETUC); 
  • Council of European Professional and Managerial Staff (Eurocadres); 
  • CEC European Managers; 
  • European Confederation of Independent Trade Unions (CESI); 
  • European Transport Workers’ Federation (ETF);
  • und European Cockpit Association (ECA).

Arbeitgeberverbände

  • BusinessEurope; 
  • SGI Europe; 
  • SMEunited; 
  • Council of European Employers of the Metal, Engineering and Technology-Based Industries (CEEMET); 
  • Association of Hotels, Restaurants, Bars and Cafés in Europe (HOTREC); 
  • World Employment Confederation-Europe (WEC-Europe); 
  • European Federation of Retail, Wholesale and International Traders (EuroCom-merce); 
  • Airline Coordination Platform (ACP). 

Die Kernaussagen der Stellungnahmen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 

Allgemeine Unterstützung vs. Skepsis

  • Die Gewerkschaften stimmen einer EU-Initiative grundsätzlich zu. Dabei gehen sie insbesondere auf den Beschäftigungsstatus von Plattformarbeitern ein und fordern, dies solle ein zentraler Punkt der geplanten Regelung werden.
  • Demgegenüber äußern Arbeitgeberverbände starke Bedenken hinsichtlich einer Regelung auf EU-Ebene. Sie erkennen zwar, dass auf diesem Gebiet Handlungsbedarf besteht, bevorzugen jedoch Regelungen auf nationaler Ebene. Eine „One-Size-Fits-All-Regelung“ lehnen sie vehement ab und fordern stattdessen, eine Entscheidung über den Beschäftigungsstatus von Plattformarbeitern solle stets im Einzelfall anhand der konkreten Umstände erfolgen.

Umfang/Reichweite der EU-Initiative

  • Nach Ansicht der Gewerkschaftsverbände sollte eine EU-Regelung sowohl Online- als auch Plattformen für Arbeit vor Ort abdecken. Die Arbeitgeberverbände hingegen betonen die Vielfalt der Plattformanbieter und weisen darauf hin, dass diese gerade nicht einem bestimmten Wirtschaftszweig zugeordnet werden können. Die Arbeit über Online-Plattformen sei nicht als ein bestimmter Arbeitssektor zu verstehen. Vielmehr handele es sich nach Aussage der Arbeitgeberverbände um eine Form der Dienstleistung oder der Dienstleistungserbringung unter Verwendung digitaler Medien.
  • Einige EU-Gewerkschaftsverbände (ETUC und Eurocadres) gehen in ihren Stellungnahmen sogar noch weiter und fordern, dass eine EU-Regelung für alle nicht standardisierten Arbeitsformen gelten solle, womit ein umfassender Schutz der Plattformarbeit in jedem Fall sichergestellt werden solle.

Beschäftigungsstatus von Plattformarbeitern

Die Sozialpartner sind sich einig, dass der Beschäftigungsstatus von Plattformarbeitern das Kernproblem sei, welches es durch die EU-Initiative zu lösen gelte.

  • Die Gewerkschaftsverbände sprechen sich für die Einführung einer widerlegbaren Vermutung des Beschäftigungsstatus von Plattformarbeitern als Arbeitnehmer aus, wobei dann eine Beweislastumkehr greifen solle.
  • Die Arbeitgeberverbände sind demgegenüber der Ansicht, dass der Beschäftigungsstatus von Plattformarbeitern auf nationaler Ebene bestimmt werden solle. In diesem Zusammenhang betonen einige Arbeitgeberverbände (BusinessEurope, EuroCommerce und SGI Europe), die individuelle Entscheidung hinsichtlich der konkreten Arbeitsweise müsse respektiert werden; insbesondere dürfe der Einzelne nicht in ein Arbeitsverhältnis gezwungen werden. Es dürfe nicht vergessen werden, dass die Erbringung von Dienstleistungen über Plattformen für einige gerade aufgrund der unabhängigen und flexiblen Arbeitsweise besonders attraktiv sei. Die Selbstständigkeit biete nun einmal, im Vergleich zur Festanstellung, erhebliche Vorteile in Bezug auf Freiheit und Selbstbestimmung. Die SGI Europe unterstreicht außerdem die Notwendigkeit, die Flexibilität des Arbeitsmarktes in der EU zu sichern, um sich zukünftigen Entwicklungen anpassen zu können. Eine Standarddefinition des Beschäftigungsverhältnisses wäre ihrer Meinung nach fatal, da sie solche zukünftigen Entwicklungen erschweren könne.
  • In einigen Punkten scheinen sich die Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbände jedoch auch einig zu sein. Weder die Gewerkschafts- noch die Arbeitgeberverbände sprechen sich für die Einführung einer dritten Beschäftigungskategorie der „Plattformarbeiter“ (zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen) aus. Ausdrücklich argumentiert beispielsweise EuroCommerce, die Schaffung einer dritten Kategorie würde zu einer unverhältnismäßig großen Rechtsunsicherheit für Unternehmen führen, da die bestehende Abgrenzung auf jahrzehntelanger nationaler Rechtsprechung beruhe, die bereits sehr differenziert und zuverlässig sei. Auch der ETUC lehnt in seiner Stellungnahme die Schaffung einer dritten Beschäftigungskategorie entschieden mit der Begründung ab, dass seitens der Plattformarbeiter kein Bedürfnis eines spezifischeren und damit auch beschränkenden Arbeitsrechts bestehe, das sich von dem für „normale“ Arbeitnehmer geltenden Recht unterscheidet.

Arbeitsbedingungen

  • Einstimmig sind die Gewerkschaftsverbände der Auffassung, dass ein Mindestmaß an Schutz für alle Plattformarbeiter gelten solle, unabhängig von ihrem jeweiligen Beschäftigungsstatus. Um die Arbeitsbedingungen auch für diejenigen zu verbessern, die nicht auf Online-Plattformen tätig sind, schlägt die ETF in ihrer Stellungnahme vor, dass Personen auf Plattformen für Arbeit vor Ort einen Stundenlohn erhalten sollen, der auch die Wartezeit berücksichtigt.
  • Obwohl auch die Arbeitgeberverbände sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern einsetzen, heben sie in ihren Stellungnahmen doch deutlich die bereits bestehenden Gesetze zur Schaffung fairer Arbeitsbedingungen hervor. Denn diese sind von den Arbeitgebern bereits zwingend zu berücksichtigen. Die SGI positioniert sich hierzu deutlich und betont, die derzeitige Rechtslage sei bereits ausreichend. Einige Arbeitgeberverbände räumen jedoch ein, dass Plattformen möglicherweise Informationen bereitstellen müssen, die erforderlich sind, um u.a. die Funktionsweise der Plattform und ihre Bedingungen nachvollziehbar zu machen.

Sozialschutz

  • Es ist wenig überraschend, dass die Gewerkschaftsverbände übereinstimmend fordern, dass der Zugang zum Sozialschutz erleichtert werden müsse. In diesem Zusammenhang fordern ETUC und Eurocadres bedingungslosen Schutz auch aller sogenannten „Nicht-Standard-Arbeitnehmer“. Dies bedeutet konkret, dass eine EU-weite Regelung zum Sozialschutz im Rahmen der Initiative sich nicht allein auf Plattformarbeiter beziehen sollte. Die Gewerkschaftsverbände fordern weitergehend, dass der Zugang zu individuellen und kollektiven Arbeits- und Sozialrechten allen Plattformarbeitskräften garantiert werden sollte.
  • Auch bei diesem Thema nehmen die Arbeitgeberverbände in ihren Stellungnahmen Bezug auf bereits bestehende EU-Instrumente, wie beispielsweise die Empfehlung des EU-Rates zum Zugang zu Sozialschutz und betonen, solche Instrumente seien bereits ausreichend, um einen umfassenden Sozialschutz zu garantieren. Der WEC weist auf Reformen in zahlreichen Mitgliedstaaten hin, die bereits erfolgt sind oder derzeit durchgeführt werden, um Selbstständige unter dem Aspekt des Sozialschutzes zu erfassen und ihnen so ein ausreichendes Maß an Sicherheit zu gewähren. Das traditionell niedrigere Schutzniveau der Selbstständigen werde zudem dadurch ausgeglichen, dass sie nicht die gleichen Verpflichtungen hätten wie Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern. Im Allgemeinen sei zu beachten, dass viele Probleme im Bereich des Sozialschutzes besonders für Selbstständige, nicht nur auf die Plattformarbeit beschränkt seien.

Automatisierte Entscheidungsfindung und Einsatz von Algorithmen; Erfordernis menschlicher Aufsicht

  • Einige der Gewerkschaften (ETUC, Eurocadres, CEC, CESI (ETF)) sind sich einig, dass eine Regelung ebenfalls neue Rechte im Falle der Verwendung von Algorithmen und der automatisierten Entscheidungsfindung gewähren sollten. ETUC verweist explizit auf die sog. „Spillover-Effekte“ der Plattformarbeit, wie sie beispielsweise für das algorithmische Management festzustellen seien. Dieses breite sich zunehmend auf dem „traditionellen“ Arbeitsmarkt aus und gewinne somit stetig an Bedeutung, damit gehe wiederum Regelungsbedarf der dadurch entstehenden Sachverhalte einher. Ein Ansatz zur automatisierten Entscheidungsfindung sollte in jedem Fall auf Transparenz beruhen. So weist Eurocadres ausdrücklich darauf hin, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmer zumindest Zugang zu den Algorithmen haben sollten. Auch die CESI plädiert für das Recht, darüber informiert zu werden, wie Algorithmen Gehälter berechnen und Prognosen über künftige Verdienste erstellen. Die Arbeitgeberverbände hingegen lehnen eine solche Forderung ab und argumentieren, dass die bestehenden EU-Rechtsvorschriften und -Initiativen bereits ausreichend seien (z.B. GDPR, Platforms to Business Regulation).
  • Die CEC fördert einen „Human-in-Control“-Ansatz, der in die Initiative aufgenommen werden soll. Dies sei notwendig, da der Umfang der automatisierten Entscheidungsfindung über die Leistung der Arbeitnehmer nicht nur ein Vorrecht der digitalen Plattformen darstelle. Bei all den Überlegungen sollte allerdings nicht übersehen werden, dass Algorithmen in der Arbeitswelt auch einige durchaus erstrebenswerte Vorteile schaffen können. Besonders die Arbeitgeberverbände betonen deshalb die Notwendigkeit, die Vorteile der Künstlichen Intelligenz (KI) auch dann voll auszuschöpfen, sollte ein menschliches Kontrollinstrument eingeführt werden. Darüber hinaus betonen sie die Möglichkeit, mithilfe der geregelten Nutzung von Künstlicher Intelligenz, einen Beitrag zur Bekämpfung bewusster und unbewusster Voreingenommenheit zu leisten, die naturgemäß Teil jeder menschlichen Entscheidungsfindung sei. CEEMET befürwortet insbesondere einen risikobasierten Ansatz, auf den sich der künftige Rechtsrahmen (unter anderem) stützen könne.

Kollektive Vertretung von Plattformarbeitern

  • Die Gewerkschaftsverbände sind sich einig, dass allen Plattformarbeitern der Zugang zu kollektiven Verhandlungen erleichtert werden solle. Zwar erkennen die Arbeitgeberverbände die Notwendigkeit einer solchen Regelung an, allerdings halten sie Regelungen auf nationaler Ebene für effektiver. Zudem vertreten sie den Standpunkt, solche Regelungen sollten nur für diejenigen gelten, die als Arbeitnehmer einzustufen sind. Außerdem argumentieren sie, dass die EU ungeachtet des (aus ihrer Sicht) zweifelhaften Erfordernisses einer EU-weiten Regelung schon jetzt nicht über die Kompetenz verfüge, Fragen der kollektiven Vertretung zu regeln (siehe Art. 153 Abs. 5 AEUV).

Zweite Konsultationsphase

Weder die Gewerkschaften noch die Arbeitgeberverbände brachten bisher zum Ausdruck, Verhandlungen nach Art. 155 AEUV aufnehmen zu wollen, um einen Kompromiss zur Regelung der Plattformarbeit zu finden, den der Rat der Europäischen Union dann auf Empfehlung der Kommission hätte umsetzen können.

Daher wird die Kommission nun einen eigenen Verordnungsvorschlag ausarbeiten. Zu diesem Zweck hat sie bereits die zweite Phase des Konsultationsverfahrens eingeleitet und die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände erneut um ihre Stellungnahme gebeten. In dieser zweiten Phase werden die Sozialpartner insbesondere zu den möglichen Handlungsalternativen und der inhaltlichen Ausgestaltung des geplanten Vorschlags konsultiert. Hierbei wurde ihnen wieder die Möglichkeit belassen selbst in Verhandlungen einzutreten, um eine Lösung zur Regelung der Plattformarbeit auszuarbeiten.

Unter Berücksichtigung der Antworten im Rahmen der ersten Konsultationsphase, ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass ein Erfordernis für Maßnahmen auf unionaler Ebene besteht, um den Herausforderungen entsprechend begegnen zu können. Haupt-grund hierfür ist, dass die jeweiligen Mitgliedstaaten bisher unterschiedliche Regulierungsansätze für die Plattformarbeit verfolgen. Hinzu kommt, dass schätzungsweise zwei Drittel der Plattformarbeit grenzüberschreitender Natur ist, was wiederum eine EU-weite Herangehensweise nahelegte.

Die übergeordneten Ziele der Initiative sind es laut Kommission „menschenwürdige Arbeitsbedingungen für diejenigen Menschen sicherzustellen, die über Plattformen arbeiten und gleichzeitig das nachhaltige Wachstum digitaler Arbeitsplattformen in der EU zu unterstützen“, da Plattformen zunehmend an Bedeutung gewinnen und ihnen eine Schlüsselrolle beim digitalen Wandel der europäischen Wirtschaft zukommt.

Hinsichtlich der konkreten Umsetzung etwaiger EU-Maßnahmen besteht Spielraum bezüglich der Art und Weise sowie der inhaltlichen Ausgestaltung. Diesem Umstand Rechnung tragend, hat die Kommission in ihrem Dokument zur zweiten Konsultationsphase mehrere Vorschläge für eine EU-Initiative vorgelegt, die auf den Schlussfolgerungen und Vorschlägen der Stellungnahmen in der ersten Konsultationsphase basieren.

Im Folgenden werden die Herausforderungen des Modells der Plattformarbeit und mögliche EU-Maßnahmen sowie deren Konsequenzen thematisch geordnet zusammengefasst.

Beschäftigungsstatus – widerlegbare Vermutung

Die Kommission sieht die Chancen, welche der Plattformarbeit innewohnen und betont die Flexibilität dieses Arbeitsmodells. Positiv hervorgehoben wird auch, dass dieses Modell für einige Menschen ein vereinfachter Einstieg in den Arbeitsmarkt sein kann.

Gleichwohl benennt die Kommission den konkreten Beschäftigungsstatus als „die zentrale Heraus-forderung der Plattformarbeit“. Die Plattformen stufen ihre Arbeitskräfte meist als Selbstständige ein. Diese Einordnung berücksichtige jedoch die Art des Arbeitsverhältnisses als Kombination aus Unterordnung und Autonomie nicht in angemessener Weise.

Um klare Regelungen hinsichtlich des jeweiligen Beschäftigungsstatus zu schaffen, schlägt die Kommission eine widerlegbare Vermutung zugunsten eines Beschäftigungsverhältnisses vor, nach welcher der zugrunde liegende Vertrag zwischen Plattform und Arbeiter*in grundsätzlich als Beschäftigungsverhältnis zu verstehen sein soll.

Eine andere Möglichkeit wäre eine Umkehr der Beweislast oder die Senkung der Beweisanforderungen hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses in Gerichtsverfahren. Ein alternatives Verwaltungsverfahren zur Prüfung des Beschäftigungsstatus könne die Kosten und Risiken eines Gerichtsverfahrens ersparen und somit die Belastung durch Neueinstufungsmaßnahmen verringern. Es wäre dennoch weiterhin gerichtlich anfechtbar. Eine weitere außergerichtliche Möglichkeit wäre die Zertifizierung von Arbeitsverträgen auf Antrag einer der Vertragsparteien. Diese könnte entweder durch die zuständigen Behörden oder von unabhängigen Stellen durchgeführt werden. Selbstredend ist auch die Kombination verschiedener Ansätze möglich. Ferner können die Regelungsoptionen dann entweder für alle digitalen Arbeitsplattformen oder nur für bestimmte Bereiche gelten.

Algorithmische Steuerung

Eine besondere Herausforderung der Plattformarbeit ist das Algorithmische Management, welches zunehmend auch außerhalb der Plattformökonomie Verwendung findet. Nichtsdestotrotz erfolgten auf nationaler Ebene nur in sehr begrenztem Rahmen Reaktionen auf die algorithmusbezogenen Herausforderungen. Bislang hat allein Spanien Rechtsvorschriften erlassen, welche diese Problem-stellungen thematisieren.

Die Kommission empfiehlt, neue Regelungen in diesem Bereich zu schaffen, welche auf den bereits existierenden Instrumentarien sowie den Empfehlungen der Sozialpartner aufbauen. Neue Rechtsvorschriften in diesem Bereich könnten eine hinreichende Kontrolle und mehr menschliche Aufsicht über den automatisierten Entscheidungsprozess sowie geeignete Rechtsbehelfe gegen die erfolgten Entscheidungen gewährleisten.

Grenzüberschreitende Plattformarbeit

Im Rahmen von grenzüberschreitender Plattformarbeit stehen die nationalen Behörden vor vielen Herausforderungen. Die Kommission stellt fest, dass die Vorschriften der Verordnungen Brüssel Ia und Rom I lediglich auf Arbeitnehmer Anwendung finden, Selbstständige hingegen nicht. Zu beachten ist, dass die Ungewissheit über den Beschäftigungsstatus auch Fragestellungen bezüglich des Sozialversicherungsschutzes aufwerfen kann.

Regelungslücken auf EU-Ebene

Die Arbeitgeberverbände vertreten den Standpunkt, dass die ausgeführten Herausforderungen (Beschäftigungsstatus, algorithmenbasierte Geschäftsmodelle und grenzüberschreitende Arbeit) durch die bereits existierenden Rechtsvorschriften auf unionaler Ebene hinreichend erfasst seien. Dem widerspricht die Europäische Kommission. Von den bereits existierenden Rechtsinstrumenten (z.B. der Richtlinie über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Eltern und Betreuer, der Arbeitszeitrichtlinie, der Rahmenrichtlinie über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und Richtlinien über Anti-Diskriminierung und Gleichbehandlung) bzw. deren Regelungsbereichen, sind Selbstständige nicht umfasst. Hinzu kommt, dass algorithmisches Management auf EU-Ebene bisher noch überhaupt nicht adressiert wurde.

Mögliche Formen und der Umfang von EU-Maßnahmen

Die Umsetzung der vorgeschlagenen EU-Initiative könnte verschiedene Formen annehmen. Möglich ist eine Ausgestaltung als Richtlinie, als Empfehlung des Rates oder ein kombinierender Ansatz. Mittels einer „politischen Mitteilung“ könnten gegebenenfalls alle nicht-legislativen Elemente der Initiative eingeführt werden. Durch eine Richtlinie würde Gewissheit über die von den Mitgliedstaaten zu implementierenden verbindlichen Anforderungen geschaffen. Ferner könnte sie eine Reihe von Mindeststandards und Verfahrenspflichten enthalten, zu deren Einhaltung die Mitgliedstaaten verpflichtet werden. Die Umsetzung in Form einer Empfehlung birgt den Vorteil, einen gemeinsamen politischen Rahmen auf EU-Ebene vorzugeben, ohne jedoch Forderungen bezüglich der konkreten nationalen Ausgestaltung festzulegen. Die Initiative könnte ferner nicht-legislative Maßnahmen umfassen, die zur Erreichung der postulierten Ziele im Bereich der Plattformarbeit beitragen. In jedem Fall können die gesetzgeberischen Maßnahmen der EU nur Mindeststandards festlegen, sodass es den Mitgliedstaaten obliegt weitere Maßnahmen zur Reglementierung zu treffen, wie die Kommission klarstellt.

Bislang hat die EU-Kommission noch keine Empfehlung zum persönlichen Anwendungsbereich ausgesprochen. Sie erklärte jedoch, dass eine EU-Initiative entweder alle digitalen Arbeitsplattformen abdecken oder sich auf bestimmte Arten von Plattformarbeit oder Geschäftsmodellen beschränken könnte.

Nächste Schritte

Die Kommission fordert nun die Sozialpartner auf, sich insbesondere zu den spezifischen Zielen möglicher EU-Maßnahmen, deren mögliche Ausgestaltung und den hierbei in Betracht kommenden Rechtsinstrumenten zu äußern. Wiederum hat die Kommission die Möglichkeit angeregt, dass die europäischen Sozialpartner selbst in Verhandlungen miteinander eintreten und ihnen die Möglichkeit offen gelassen eine Vereinbarung gemäß Art. 155 AEUV zu schließen.

Die Kommission wird die Ergebnisse dieser zweiten Konsultationsphase bei der weiteren Ausarbeitung der EU-Initiative berücksichtigen. Sollten die Sozialpartner sich dazu entscheiden die Verhandlungsmöglichkeit nach Art. 154 Abs. 4 AEUV wahrzunehmen, wird die Kommission die Ausarbeitung der Initiative währenddessen aussetzen.

Einschätzung

In Anbetracht des Verlaufs der ersten Konsultationsphase bezweifeln wir, dass sich die EU-Sozialpartner diesmal zur Aufnahme von Verhandlungen entschließen werden.

Wir gehen daher davon aus, dass die EU-Kommission nach Abschluss der zweiten Konsultationsphase Ende September einen Vorschlag für eine Regelung vorlegen wird. Dabei würde eine Richtlinie ein Höchstmaß an Rechtssicherheit gewährleisten, während gleichzeitig die nationale Unabhängigkeit in angemessener Weise gewahrt werden kann.

Nach Abschluss der zweiten Konsultationsphase bleibt abzuwarten, wie die Sozialpartner die Fragen der EU-Kommission beantworten, die Vorschläge zu möglichen EU-Maßnahmen bewerten und wie die Kommission schlussendlich eine konkretisierte Initiative ausgestalten wird.

Insbesondere eine widerlegbare Vermutung des Beschäftigungsstatus und eine Umkehr der Beweislast hätten erhebliche Konsequenzen für die Plattformökonomie. Derartige Regelungen könnten der Plattformarbeit die für sie charakteristische Flexibilität nehmen. Diese Flexibilität ist jedoch häufig der primäre Beweggrund vieler, sich für eine Tätigkeit über Plattformen zu entscheiden. Als unbedenklich stufen wir Informationspflichten im Hinblick auf KI-Nutzung und Algorithmus-Management ein. Die Umsetzung dieser sollte den Plattformen, trotz des damit verbundenen Verwaltungsaufwands, gut möglich sein. Ferner bleibt abzuwarten, ob und wie die EU das Niveau sozialer Schutzgewährleistungen für Plattformarbeiter festlegen wird. In Deutschland genießen sogenannte „arbeitnehmerähnliche Personen“ sozialen Schutz im Rahmen der gesetzlichen Renten-versicherung, ein vergleichbares Modell könnte ein denkbarer Ansatz für alle EU-weiten Plattformarbeiter sein.

 

Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten.